© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Nicht nur Erntehelfer werden teurer
US-Wirtschaft: Unter Donald Trump wird es neue Gewinner und Verlierer geben / Sorgen bei Autoimporteuren
Thomas Kirchner

Mit Donald Trump zieht wieder einmal ein Geschäftsmann ins Weiße Haus ein. Als Selfmade-Milliardär ähnelt er mehr dem Demokraten Jimmy Carter, der aus kleinen Verhältnissen einen erfolgreichen Erdnußanbau in Georgia aufbaute, als dem Republikaner George Bush senior, der die hervorragenden Verbindungen seiner Familie für gewinnbringende Geschäfte (Zapata Oil) nutzte. Diese praktische Sicht der Wirtschaft wird seine Präsidentschaft prägen und den Konflikt mit Wirtschaftstheoretikern im Elfenbeinturm definieren. Auch wenn Trump als Anti-Establishment-Kandidat gilt, hat er mit anderen Politikern gemeinsam, daß er schon fast jede Position vertreten hat und auch ihr Gegenteil.

Unausgewogene Handelsbeziehungen

Freihandel ist eines der Felder, in denen Trump nach seinen Wahlkampfsprüchen liefern muß. Nicht nur Stimmen aus den Exportnationen Deutschland und China sahen schon das Ende der Globalisierung nahen. Nicht offene Märkte, wohl aber die unausgewogenen Handelsbeziehungen sind den US-Republikanern schon länger ein Dorn im Auge. Denn die USA sind für ausländische Firmen ein weitgehend offener Markt. In der Gegenrichtung ist das jedoch nicht immer der Fall.

Besonders China bleibt ein Problemkind. Es verbietet Ausländern den Zugang zu vielen Branchen, in anderen darf man nur über Gemeinschaftsunternehmen mit einem lokalen Partner ins Land, wo dann die Technologie kopiert wird. Während chinesische Staatsunternehmen im Westen auf Einkaufstour gehen und vom Augsburger Roboterhersteller Kuka oder dem Münchner Maschinenbauer Krauss-Maffei bis hin zu amerikanischen Wolkenkratzern alles kaufen, was für Geld zu haben ist, sind Westler in China Anleger zweiter Klasse.

Wer die New York die börsennotierten Aktien des chinesischen Internetriesen Alibaba kauft, ist keineswegs Eigentümer dieser Firma, denn Ausländer dürfen in der kommunistischen Volksrepublik keine Internetfirmen besitzen. Stattdessen besitzt der Anleger eine Briefkastenfirma, an die das chinesische Alibaba über ein kompliziertes Vertragsgeflecht seine Gewinne abtritt. Trump formulierte das Handelsproblem wahlkampfgerecht überspitzt. Doch genau diese Übertreibungen geben ihm eine starke Ausgangsposition für Verhandlungen mit China. Mit einer neuen Öffnung Chinas würde Trump in die Fußstapfen von Richard Nixon und dessen damaligem Berater und Außenminister Henry Kissinger treten. 

Aber eine Öffnung Chinas wird Trumps Wähler nur indirekt und erst langfristig helfen. Deshalb steht zu befürchten, daß Trump doch politisch motivierte Handelsbarrieren errichten wird. Besonders betroffen könnte die Autoindustrie sein, die im Mittleren Westen beheimatet ist und wo Trump viele Anhänger hat. Deren Bedeutung ist in den USA ähnlich hoch wie in Deutschland. Schon Barack Obama hatte General Motors (GM) geholfen, die Pleite 2009 zu überwinden, indem der US-Präsident per Erlaß das Konkursverfahren (Chapter 11) regelte. GM wurde notverstaatlicht und war erst 2013 wieder vollständig privatisiert.

2015 exportierte die US-Wirtschaft Waren im Wert von 59,6 Milliarden Euro nach Deutschland – umgekehrt waren es hingegen 114 Milliarden Euro. Und 37,3 Prozent davon waren deutsche Autos, Autoteile, Spezialfahrzeuge, Straßenbahnen oder Traktoren. Inzwischen stehen deutsche Autobauer wegen der milliardenteuren Diesel-Affäre unter Druck der US-Justiz, so daß sich Importhindernisse auch bei Freihandelsbefürwortern durchsetzen ließen.

Eine „freiwillige Selbstverpflichtung“, mehr Wagen in den USA zu produzieren und mehr amerikanische Komponenten zu verwenden, wäre eine Lösung, die den geringsten Schaden anrichtet. Einen Präzedenzfall gibt es seit den 1980er Jahren, als japanische Automobilhersteller den westlichen Markt aufrollten und von den USA – sowie der damaligen EG – zu solchen Schritten gedrängt wurden: Toyota produziert in Kentucky, Indiana, Texas und Mississippi, Honda in Ohio, Alabama und Indiana sowie Nissan in Tennessee und Mississippi. Und die größten US-Flaggen hängen nicht bei den „reaktionären“ Rednecks in der US-Provinz, sondern an den Masten von Toyota-, Honda- oder Kia-Händlern.

Die Verschwendung im Pentagon ist legendär

Volkswagen hat lediglich ein Werk in Tennessee – die meisten VWs kommen bislang aus Fabriken in Mexiko. Audi produziert sein Erfolgsmodell Q5 im am 30. September eröffneten Werk im mexikanischen San José Chiapa. BMW montiert seine X-Reihe zwar in South Carolina, doch ab 2019 soll zumindest der BMW 3er im mexikanischen San Luis Potosí vom Band laufen. Das erklärt die Aufregung über den Trump-Sieg in Wolfsburg, Ingolstadt und München.

Dramatische Änderungen könnte es in der Geldpolitik geben. Im Wahlkampf hatte Zentralbankchefin Janet Yellen entgegen aller historischen Gepflogenheiten ihre Neutralität aufgegeben und öffentlich gegen Trump opponiert. Ihre Amtszeit als Fed-Vorsitzende sowie die ihres Vize, Stanley Fischer, läuft 2018 aus. Außerdem sind derzeit zwei der sieben Fed-Gouverneursposten unbesetzt. Damit bietet sich die historische Chance zur Abkehr von der Weichwährungspolitik. Denn unter Trumps Wirtschaftsberatern tummeln sich Anhänger einer harten Währung: Mike Pence, zukünftiger Vizepräsident, ist Gold-Fan, ebenso wie die beiden republikanischen Urgesteine Judy Shelton und Larry Kudlow sowie der Hedgefondsmanager John Paulson. Eine baldige Wiedereinführung des Goldstandards ist zwar unwahrscheinlich, allerdings dürfte die Unabhängigkeit der Fed gestärkt und Maßnahmen getroffen werden, monetäre Exzesse wie in den vergangenen beiden Jahrzehnten in der Zukunft zu verhindern. Die Fed könnte nur noch ein Mandat, Geldwertstabilität, verfolgen und ihr zweites, Vollbeschäftigung, aufgeben.

Der Agrar- und Dienstleistungssektor spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle, aber beide Branchen wären von der verschärften Einwanderungspolitik betroffen. Viele Arbeiter sind Illegale, die oft unterhalb des Mindestlohns bezahlt werden, in Extremfällen sogar wie Sklaven ausgebeutet werden. Die Lohnkosten für Niedrigqualifizierte werden mit Sicherheit steigen und in diesen Branchen zu Buche schlagen. Demokratische Wahlkämpfer warnten daher, daß Lebensmittel teurer würden, wenn Trump die Einwanderungspolitik reformiert und die Gehälter für Erntehelfer steigen.

Die Baubranche wird von Trumps Infrastrukturplan profitieren. Davon könnten deutsche Unternehmen mit Töchtern in den USA wie Hochtief (Turner) oder Heidelberg-Cement profitieren, die Leistungen im Land selbst erbringen. Maschinenbauer, die Ausrüstung exportieren, könnten den Boom verpassen, wenn die Handelspolitik restriktiver als erwartet ausfallen sollte.

Schwieriger einzuschätzen ist die Rüstungsbranche. Verteidigung ist mit 16 Prozent der drittgrößte Posten im US-Haushalt. Angesichts der Ausgabenpläne Trumps wäre sie der ideale Kandidat für Kürzungen. Die Verschwendung im Pentagon ist legendär, deshalb ist es gut möglich, daß Trump das Budget der Generäle weder kürzt noch erhöht, sondern sie zu effizienterem Wirtschaften zwingt. 

Wirtschaftsinformationen des Verbunds der deutsch-amerikanischen Handelskammern:  www.ahk-usa.com