© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/16 / 18. November 2016

Heiß gekocht, kühler serviert
Der designierte 45. US-Präsident stellt seine Regierungsmannschaft zusammen: Nach dem Wahlkampfgetöse kommen Entspannungssignale
Thorsten Brückner

Knapp eine Woche nach der größten politischen Überraschung seit der Wahl Ronald Reagans 1980 leckt das linksliberale Amerika weiter seine Wunden. Dem Wunsch der unterlegenen Demokraten-Kandidatin Hillary Clinton, dem gewählten Präsidenten Trump eine Chance zu geben, wollen sich gerade viele ihrer jungen Unterstützer nicht anschließen. Zu Tausenden ziehen sie, teils gewalttätig, durch Philadelphia, Chicago, New York und andere große Städte des Landes. Trumps Umgang mit den Protesten schwankt noch zwischen dem Wahlkämpfer Trump und dem designierten Präsidenten. Erst nannte er die jungen Randalierer auf Twitter professionelle Demonstranten, die, angestachelt von den Medien, das Wahlergebnis nicht anerkennen würden. Tags darauf meldete sich dann der zukünftige Präsident Trump auf Twitter zu Wort und bescheinigte den Protestierern „Leidenschaft für unser großartiges Land“.

Stephen Bannon wird nicht Stabschef im Weißen Haus

Unterdessen feilt Trump an seinem Kabinett. Ein starkes Signal für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Kongreßmehrheit seiner Partei ist die Entscheidung, Reince Priebus zum Stabschef im Weißen Haus zu machen. Der Chef des Republikanischen Nationalkomitees unterhält beste Kontakte zu allen wichtigen Republikanern und spricht auch die Sprache des Partei­establishments. Priebus kommt wie der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan aus Wisconsin, beide kennen und verstehen sich gut.

Den kürzeren zog bei dieser Ernennung der frühere Chef des rechten Nachrichtenportals Breitbart und Trumps engster Berater im Wahlkampf, Stephen Bannon, der dennoch als Chefstratege Trump ins Weiße Haus begleiten wird. Bannon steht seit Monaten wegen Antisemitismusvorwürfen unter Dauerfeuer von Kritikern aus beiden Parteien. Republikaner-Stratege John Weaver, der zuletzt für Ohios Gouverneur John Kasich arbeitete, kommentierte die Ernennung Bannons auf Twitter: „Die rassistische, faschistische extreme Rechte ist damit nur wenige Schritte vom Oval Office entfernt.“

Insgesamt fast 5.000 Ernennungen für verschiedenste Regierungspositionen nimmt ein neu ins Amt kommender Präsident vor. Viele davon werden oft erst Monate nach der Wahl besetzt. Andere, vorwiegend für die nationale Sicherheit relevante Posten, dürfen nie unbesetzt bleiben und erfordern eine enge Abstimmung zwischen dem scheidenden und dem neu ins Amt kommenden Präsidenten. Obama hat hierbei Trump, unabhängig von politischen Gegensätzen, volle Hilfe zugesichert und gelobt, sich beim Machtwechsel an kooperativen Präsidenten wie George W. Bush zu orientieren.

Daß es auch anders geht, zeigte der Machtwechsel im Jahr 2000. Die Mitarbeiter des scheidenden Präsidenten Bill Clinton nutzten jede Gelegenheit, der neu ins Amt kommenden Bush-Administration das Leben schwer zu machen. Kindischer Höhepunkt damals: Clintons Leute verwüsteten Büros, stahlen Teile der Einrichtung und entfernten von zahlreichen Computertastaturen den Buchstaben „W“ – Kürzel von George Bushs Mittelnamen Walker.

Eine schwere Woche war es für den Gouverneur von New Jersey, Chris Christie. Der Leiter von Trumps Übergangs­team wurde von seinem Boß degradiert und durch Vizepräsident Mike Pence ersetzt. Die Spekulationen über die ersten Kabinettsposten sind weiter in vollem Gange. Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani wird als künftiger Außenminister gehandelt. Auch der frühere UN-Botschafter unter George Bush, der verteidigungspolitische „Falke“ John Bolton, soll Medienberichten zufolge noch im Rennen um den Posten sein. Trumps unterlegener Konkurrent im Vorwahlkampf, der Neurochirurg Ben Carson, könnte Gesundheitsminister werden. Auch Trumps Wahlkampfleiterin Kellyanne Conway, der ersten Frau in der US-Geschichte, die eine erfolgreiche Präsidentschaftswahlkampagne geleitet hat, werden Ambitionen auf einen Kabinettsposten nachgesagt. Allen Kabinettsernennungen muß der Senat noch zustimmen.

An seine Anhänger richtet Trump derzeit widersprüchliche Signale. Gegenüber dem Fernsehsender CBS ließ er verlautbaren, in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft zunächst alle kriminellen illegalen Einwanderer abschieben zu wollen. Danach werde man sich überlegen, wie mit den anderen „nichtdokumentierten Einwanderern“ zu verfahren sei. „Es wird keine Massendeportationen geben“, stellte Repräsentantenhaussprecher Ryan unterdessen bereits klar. Vom Versprechen, Obamas Gesundheitsreform „Obamacare“ aufzuheben, ist Trump abgerückt. Man wolle das Gesetz statt dessen abändern und verbessern. Auch sein Wahlkampfversprechen, einen Sonderermittler zu ernennen, um Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre ins Gefängnis werfen zu lassen, hört sich wenige Tage nach der Wahl bereits ein wenig versöhnlicher an: Er wolle den Clintons keinen Schaden zufügen, so Trump. „Das sind gute Leute.“ Bleiben soll es hingegen bei dem Versprechen, auf das Präsidenten-Jahressalär in Höhe von 400.000 Dollar zu verzichten und statt dessen für den symbolischen Betrag von einem Dollar zu arbeiten.





Die Männer hinter Trump

Chefstratege im Weißen Haus wird der frühere Investmentbanker und Film- und Medienmann Stephen Bannon (ganz l.) gilt als Galionsfigur der extremen Rechten, der „Alternative Right“. Der Zorn auf das Establishment war Kern seiner Wahlkampfaussagen.

Das ganze Gegenteil stellt Mike Pence (l.) dar: Der als bibelfester Evangelikaler bekannte Gouverneur von Indiana hat sich als solider, dezidiert konservativer Familienmensch profiliert, der durch seine Zeit im US-Repräsentantenhaus in Washington bestens vernetzt ist. Der künftige US-Vizepräsident verabscheut Abtreibungen und legte sich mehrfach mit der Homosexuellen-Lobby an.

Designierter Stabschef des Präsidenten: Reince Priebus (ganz r.) kann verbinden und Streit schlichten. Wo Trump polterte, betrieb der Republikaner-Chef Schadensbegrenzung. Der Jurist ist ebenso wie Pence in der Politik ein alter Hase.

Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani (r.), Mitglied des liberalen Flügels der Republikaner, rechnet sich Chancen auf das Außenamt aus.