© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

„Mehr politisches Phänomen als reale Bedrohung“
Die „Naturwissenschaftliche Rundschau“ durchbricht die deutsche Schweigespirale für sogenannte Klimaskeptiker
Rainer Oertel

Horst-Joachim Lüdecke zählt zu den prominentesten deutschen „Klima-skeptikern“, jenen Wissenschaftlern, die der herrschenden Meinung“ entgegentreten, der zufolge menschliche Aktivitäten, primär durch Eintrag von Kohlendioxid (CO2) aus fossilen Brennstoffen, den Strahlungshaushalt der Erde Richtung Erderwärmung verändern.

„Lehrreich und spannend“

Lüdecke, bis 2008 Professor für Physik und Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, hat seine Thesen in einer Monographie („Energie und Klima – Chancen, Risiken, Mythen“, JF 39/13) zusammengefaßt. Das Werk ist im Organ der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) von dem Teilchenphysiker Konrad Kleinknecht, dem Gründungsvorsitzenden der Heisenberg-Gesellschaft, als „lehrreich und spannend“ empfohlen worden (Physik-Journal, 9/13).

Auch die 2016 aktualisierte Neuauflage fand ein überaus positives Echo. In der renommierten Naturwissenschaftlichen Rundschau-NR (5/16) lobt der Chemiker Lucien F. Trueb, ein lange für die Neue Zürcher Zeitung tätiger Wissenschaftsautor, die faktensatte, auf 300 Quellenangaben fußende Auseinandersetzung mit dem Dogma von den anthropogenen Treibhausgasen als Kompendium „stichhaltiger, sauber durchgerechneter Antworten auf jede Frage“ zum strittigen Thema Klimawandel.

Trotzdem ändert solcher Zuspruch aus der Fachwelt kaum etwas daran, daß Lüdecke und die Minorität der gern als „Klimaleugner“ stigmatisierten Kritiker der etablierten Forschung und Umweltpolitik weder im wissenschaftsinternen noch im öffentlichen Diskurs auf nennenswerte Resonanz stoßen. Für den tongebenden Kreis der Klimaphysiker scheinen die Einwände Lüdeckes erledigt, seitdem sie 2010 von autoritativer Seite, dem Institut für Umweltphysik der Heidelberger Universität, als wissenschaftlich unhaltbar zurückgewiesen und keiner detaillierten Widerlegung für würdig erachtet worden sind. 

Auch Truebs Rezension scheint eher auf eine „Schweigespirale“ hinzudeuten. Denn in der NR, immerhin das Organ der altehrwürdigen Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, wollte sich keiner der sonst nicht eben medienscheuen klimawissenschaftlichen Koryphäen auf eine Kontroverse mit Lüdecke einlassen, so daß die Redaktion auf den ebenfalls als „Klimaskeptiker“ bekannten Chemiker Trueb zurückgreifen mußte. Und es dauerte dann nochmals vier Monate, bevor sich jemand in der NR endlich doch zum Angriff auf Lüdecke entschloß. Doch wieder war es kein Fachmann, sondern der deutsch-indische Elektroingenieur Amardeo Sarma, der sich in einer Trueb-Replik (NR, 9/16) darüber empörte, daß die Redaktion „der Propaganda dieser Leute“, „Klimaleugner“ reinsten Wassers, „auf den Leim gegangen“ sei.

Gibt es überhaupt einen wissenschaftlichen Konsens?

Sarma, der einer bei Darmstadt residierenden Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) vorsteht, beschäftigt sich in seiner Quartalszeitschrift Skeptiker zumeist mit der „Entlarvung“ von Homöopathen, Wünschelrutengängern und Hellsehern, vor denen er „das wissenschaftliche Denken“ schützen möchte. In der Klima-Debatte ist er bislang nicht aufgefallen. So stützt sich seine Polemik gegen Trueb und Lüdecke denn vornehmlich auf das Argument, die These vom anthropogenen Klimawandel werde „weltweit“ von keiner wissenschaftlich relevanten Organisation mehr bestritten. Was alle sagen, so lautet die für einen „Skeptiker“ blamable Schlußfolgerung, unterliege eben keinem Zweifel. 

Es ist als Fortschritt in der Debatte zu registrieren, daß Lüdecke im selben NR-Heft Gelegenheit zur Abwehr dieses unsachlichen Angriffs erhielt. Demnach bleibe für ihn als bisher unwiderlegt festzuhalten, daß keine Fachpublikation den maßgeblichen menschlichen Anteil am aktuellen Klimawandel nachweise, daß es den von Sarma in dieser Frage beschworenen wissenschaftlichen Konsens nicht gebe, daß die Klimamodelle, auf die sich die Langzeitprognosen des Weltklimarates (IPCC) berufen, sämtlich als umstritten gelten, und daß trotz des zwischen 1998 und 2016 stetig angestiegenen CO2-Anteils in der Atmosphäre ein Temperaturstillstand zu verzeichnen sei. Aus seiner Sicht bleibe daher anthropogenes Global Warming eher ein politisches Phänomen als eine reale Bedrohung.

Deutsche Physikalische Gesellschaft: www.dpg-physik.de

GWUP-Quartalszeitschrift Skeptiker:  www.gwup.org