© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Tendenziöse Banalitäten
Die Online-Jugendmagazine der großen Zeitungsverlage fördern die politisch korrekte Gesellschaft
Christian Schreiber

Haben Sie sich schon einmal gefragt, „warum sich Studierende auch in Gender-Studies ausgeschlossen fühlen“. Oder warum wir aufhören sollten, Frauen zu erzählen, „daß sie auch hübsch sind“. Wenn Sie diese Antworten interessieren, sind Sie vermutlich zwischen 16 und 24 Jahre alt und sollten dringend Online-Magazine wie „jetzt“, „bento“ oder „ze.tt“ konsumieren. So nennen sich drei Formate, hinter denen große Namen wie Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel oder Die Zeit stehen. 

Anfang des Jahres kündigte SZ-Digitalchef Stefan Plöchinger an, jetzt.de, das Online-Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung, rundum zu erneuern und stärker an die Bedürfnisse der jungen digitalen Zielgruppe anzupassen. Dafür wurden zunächst die jetzt.de-Seiten in der gedruckten SZ gestrichen, seit einem Neustart erscheint das Format nur noch im Internet. Junge Leute seien mit dem Netz groß geworden, die gedruckte Ausgabe sei in dieser Altersklasse ein Auslaufmodell. Wie die „jetzt“-Redaktion mitteilte, soll es vier- bis fünfmal im Jahr ein beigelegtes monothematisches Magazin in der Printausgabe geben. „Jugendliche sollen sich nicht mehr mit den Eltern um die Tageszeitung streiten“, heißt es. 

Die Verlage erreichen junge Menschen kaum noch. Deshalb gründen sie seit einiger Zeit verstärkt Portale im Netz. Die Nutzerzahlen sind bisher enttäuschend, dennoch werden die Versuche, „junge Leser irgendwie zu binden“, intensiviert. Der Medienberater Thomas Knüwer hält diese Strategie für verfehlt. Er kritisiert arg oberflächliche Inhalte und ärgert sich über die Unterforderung der jungen Zielgruppe. Statt eigener Online-Angebote für die U30 empfiehlt er „kraftvolle Social-Auftritte der Hauptmarken“. Ziel müsse es sein, das Lebensgefühl junger Leute stärker zu treffen. Schaut man sich die vorhandenen Internetangebote an, so bekommt man den Eindruck, daß die deutsche Jugend links-grün ist, Multikulti total toll findet und in der Flüchtlingskrise eine spannende Herausforderung sieht. „Verliebt in einen Flüchtling?“ lautet nicht etwa eine Frage aus der Bravo, sondern wird in allen Portalen ernsthaft diskutiert.

Die meisten Jugendlichen nutzen andere Kanäle

Offenbar sehen die Strategen in den Verlagshäusern im gezielten Ansprechen von jungen Leuten eine Möglichkeit, wegbrechende Einnahmen auszugleichen. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat herausgefunden, daß Online-Aktivitäten im Vergleich zum klassischen Druckprodukt stärker ausgebaut werden sollen. Laut der Studie planen 70 Prozent der Verlage, in Kürze den Markt um Jugendprodukte zu erweitern. 

Motivation seien dabei vor allem die Heranführung beziehungsweise Bindung an bestehende Marken (79 Prozent) wie auch neue Erlöse (49 Prozent), beispielsweise aus der Werbevermarktung. Diese sollen um insgesamt 8,3 Prozent wachsen. 

Die politische Stoßrichtung der Angebote ist derweil klar. „Trump stalkt Hillary auf der Bühne“, ereifert sich „jetzt“, teilt aber wenig später erfreut mit, daß viele Menschen nach „Deutschland kommen, wenn sie abtreiben wollen“. 

Auch die Konkurrenz des Spiegels, „bento“, ist politisch korrekt unterwegs. Unter der Rubrik „Gerechtigkeit“ finden sich aufschlußreiche Artikel darüber, wie Transgender eine Familie gründen, und natürlich gibt es auch eigene Seiten für die homosexuelle Zielgruppe. „So verdreht die AfD Fakten, um gegen Schwule zu hetzen“, lautet ein Aufmacher und zeigt ein Bild Björn Höckes in besonders martialischer Pose. Gott sei Dank hat das Magazin aber auch Erfolgsmeldungen: In Israel finden schwule Juden und Palästinenser vermehrt zusammen. 

Ob die Jugendangebote die Erwartungen der Verlage langfristig erfüllen werden, läßt sich seriös nicht abschätzen. Aber nach dem Motto „Weil es alle machen“ hat das Handelsblatt mit „Orange“ nachgezogen, und bild.de legt mit der Unterseite „Byou“ den Fokus auf grelle „VIP & Lifestyle“-Geschichten. 

Laut dem Institut für Demoskopie Allensbach lasen 1970 fast 84 Prozent der 25- bis 29jährigen eine gedruckte Tageszeitung. Heute sind es gerade einmal 29 Prozent. Einfach nur zu den Online-Auftritten der Blätter abgewandert ist diese Zielgruppe allerdings nicht. Gerade einmal 37 Prozent der 14- bis 29jährigen nutzen die klassischen Netz-angebote der Verlage. 

Die viel umworbene Zielgruppe informiert sich eher via Soziale Netzwerke, aber auch nonkonforme Seiten wie „heftig“ oder „buzzfeed“ stehen hoch im Kurs. Die etablierte Konkurrenz übt sich derweil im Selbstversuch, welche Themen und Formate da mithalten können. Ob Beiträge wie „Kacken für den Umweltschutz“ bei „ze.tt“ das schaffen, ist zu bezweifeln.