© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Protest mit Folgen
„Kampf gegen Rechts“: Weil er beim Berliner Pegida-Ableger mitdemonstriert hat, entließ das Evangelische Gymnasium „Graues Kloster“ einen jungen Lehrer
Christian Vollradt

Als er am vergangenen Samstag die Schlagzeile der Zeitung mit den vier großen Buchstaben las, war das schon „ein leichter Schock“, gibt Hendrik Pauli unumwunden zu. „Schule feuert AfD-Lehrer“ hatte die Bild getitelt. Und damit seinen, Paulis, Fall zur Topstory gemacht. Daß in der bundesweiten Ausgabe über ihn geschrieben werde, überraschte ihn dagegen nicht. Er hatte mit einem Journalisten des Blattes gesprochen, nachdem dieser sich aufgrund anonymer Hinweise zu Paulis Entlassung gemeldet hatte. 

Dem 38 Jahre alten Naturwissenschaftler, der als „Quereinsteiger“ seit August eine Stelle als angestellter Lehrer für Biologie und Chemie am Evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin innehatte, war bereits im September gekündigt worden. Während der Probezeit wäre dies auch ohne inhaltliche Begründung formal korrekt gewesen. Seine Entlassung sei nur eine Sache von wenigen Minuten gewesen, erinnert sich Pauli im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Erst auf seine Nachfrage, ob da ein Zusammenhang mit Artikeln über seine Person bestehe, habe ein Mitglied des Vorstands der Schulstiftung dies bejaht. 

„Wir stehen für Offenheit und Toleranz“

Im August war in der taz ein Artikel erschienen, in dem es hieß, Pauli, der nebenher Schatzmeister der AfD Berlin-Neukölln ist, sei „regelmäßig bei Bärgida zu Gast“ gewesen, „wo er meist in den Reihen der neurechten Identitären Bewegung“ mitgelaufen sei. Die Gruppierung Bärgida gilt als Berliner Pendant zu Pegida aus Dresden. Seit Januar 2015 veranstaltet Bärgida wöchentliche „Abendspaziergänge“ durch die Innenstadt. Beim Berliner Verfassungsschutz heißt es dazu: „An der ersten ‘Bärgida’-Demonstration beteiligten sich mit 500 Teilnehmern noch sehr viele (nichtextremistische) Bürger.“ Die Teilnehmerzahl aus dem bürgerlichen Spektrum sei dann jedoch rückläufig gewesen, „was sicherlich auch auf die durch teilnehmende Rechtsextremisten gestellten Redner und entsprechende Positionierungen zurückzuführen“ sei. 

Für Hendrik Pauli steht fest, die taz-Recherchen sollten ihn bei der Partei in Mißkredit bringen. Und die Darstellung des linksalternativen Blattes war in Teilen falsch: „Ich habe mich weder bei Bärgida ‘engagiert’, noch war ich dort ‘Gast’, wie die taz geschrieben hatte. Ich habe einfach als Demonstrant meinen Protest gegen die Merkel-Politik bekundet. Punkt.“ 

In der Tat sieht die Berliner AfD-Spitze die Teilnahme an den Demos nicht besonders gern. Er habe in dieser Sache mit einem Vorstandsmitglied gesprochen, so Pauli. Von einer Ordnungsmaßnahme gegen ihn sei jedoch nie die Rede gewesen. Seit dem Sommer habe er an keiner Demo mehr teilgenommen. Daß er also während seiner Tätigkeit als Vertretungslehrer am Grauen Kloster nie bei Bärgida war, ist für die Schule offenbar unerheblich. Der Träger beruft sich dabei auch auf seine Stellung als sogenannter Tendenzbetrieb.? „Als evangelische Schulen haben wir ein klares Profil – dazu gibt es sogar ein eigenes kirchliches Schulgesetz. Wir stehen für Offenheit und Toleranz, betreiben Integrationsklassen und sind gegen jede Diskriminierung und Ausgrenzung“, betont die Schulstiftung. Wenn jemand dann offen Sympathie für rechtsextremistische Bewegungen zeige, habe man ein Problem.
?Persönlich enttäuscht zeigt sich der ehemalige Vertretungslehrer darüber, daß niemand aus der Schulleitung zunächst einmal ein klärendes Gespräch mit ihm gesucht habe. Immerhin meldeten sich auch aus der Elternschaft erste Stimmen, die das Vorgehen der Stiftung „irritierend“ gefunden hätten. Was ihn vor allem ärgere, so Pauli gegenüber der JF, sei, daß in den aktuellen Äußerungen der Schule nicht mehr nur seine politische Einstellung problematisiert werde, sondern seine Fähigkeiten öffentlich bezweifelt würden. Denn die Berliner Zeitung zitierte den Vorsitzenden der Schulstiftung, Frank Olie, mit den Worten: „Während der Probezeit haben wir das Arbeitsverhältnis beendet, weil wir doch bald erhebliche Zweifel an seiner pädagogischen Eignung hatten.“ Für Pauli ist diese Verknüpfung ein neuer Aspekt. Er überlege daher, ob er gegen diese Äußerung noch rechtlich vorgehen werde.