© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/16 / 11. November 2016

Hans Joachim Schellnhuber berät die „Klima-Kanzlerin“ – nicht immer demokratisch
Der Weltretter
Wolfgang Kaufmann

Das sind markige Worte: Der vom Menschen verursachte Klimawandel sei „wie ein Asteroideneinschlag in Zeitlupe“ und habe die Erde ins „Pyrozän“, das „Zeitalter des Feuerwahns“, katapultiert. Deshalb müsse nun die „Große Transformation“ der Zivilisation erfolgen – mit radikaler Ernährungsumstellung, Reduzierung des Bevölkerungswachstums und der Bekämpfung „nicht nachhaltiger Lebensstile“. Andernfalls sei Rettung nur noch „im Rahmen einer Kriegswirtschaft“ möglich.

So lautet das Credo von Hans Joachim Schellnhuber, das auch das Motto der am Montag begonnenen Weltklimakonferenz in Marrakesch sein könnte. Schellnhuber, geboren 1950 im niederbayerischen Ortenburg und seines Zeichens Direktor des 1992 von ihm gegründeten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, ist seit 2009 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen. Dabei ist der selbsternannte „Vater des Zwei-Grad-Zieles“ bei der Begrenzung der Erderwärmung eigentlich promovierter Festkörperphysiker und somit Quereinsteiger in Sachen Klimaforschung. Das erklärt vielleicht auch sein besonderes Sendungsbewußtsein, von dem unter anderem sein 784 Seiten starkes Opus „Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff“ (2015) zeugt, in dem er für sich reklamiert, „Weltgeschichte“ geschrieben zu haben.

Zugleich sagt der Merkel-Berater demokratischen Prinzipien den Kampf an, etwa durch die Forderung, einen Teil der Parlamentsmandate künftig an nicht vom Volke gewählte „Ombudsleute“ zu vergeben, die „ausschließlich die Interessen zukünftiger Generationen vertreten“. Damit liegt er faktisch auf der Linie des norwegischen Zukunftsforschers Jørgen Randers, der schon 2012 empfahl, eine Ökodiktatur zu etablieren (JF 57/13), weil nur die das Erreichen der Klimaziele garantiere.

Seine Thesen trugen Schellnhuber immer wieder scharfe Kritik ein. Gegner, wie sie unter anderem im Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE) sitzen, bezeichnen ihn unisono als Alarmisten reinsten Wassers. Darauf reagiert er larmoyant, es sei schwer, die „Last des Wissens“ zu tragen, wenn niemand zuhöre. Zudem geriert er sich als „moderner Seher“, dessen aufrüttelnde Prophezeiungen oft nicht ernst genommen würden – darunter auch von der AfD.

Dabei bekommt Schellnhuber reichlich Gehör, obgleich er schon mal mit einem Zahlendreher weltweite Panik auslöste (es ging um das angebliche Schmelzen der Himalaya-Gletscher bis 2035 statt – vermutlich – bis 2350). So ernannte ihn jüngst der EU-Forschungskommissar zum Chef einer Expertengruppe „zur Dekarbonisierung“ Europas. Auch wenn also Marrakesch nicht die gewünschten Fortschritte bringen sollte, für Schellnhubers Karriere läuft es weiterhin rund.