© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Erneut steigende Forderungen der Bundesbank bei der EZB
Euro-Krise 2.0
Bruno Hollnagel

Dunkle Wolken zeigen sich am finanzpolitischen Horizont: Der aktuelle Stand der Target-2-Überziehungskredite ist mit über 715 Milliarden Euro dem letzten Krisenniveau wieder bedenklich nahe gekommen – und ein Ende des neuerlichen Anstiegs ist nicht in Sicht. Target-2-Salden sind Forderungen der Bundesbank bei der Europäischen Zentralbank (EZB). In gleicher Höhe bestehen Verbindlichkeiten anderer Euro-Zentralbanken (JF 51/15).

Das Problem besteht darin, daß keine ausreichenden Sicherheiten bei der EZB hinterlegt sind. Für einen großen Teil der 715 Milliarden Euro besteht also im Krisenfall ein erhebliches Ausfallrisiko, das letztlich die Deutschen tragen. Ein solcher Krisenfall kann täglich eintreffen. Immerhin haben wir es mit weltweiten politischen Krisen und Spannungen zu tun, mit konjunkturellen Risiken und der Gefahr eines Crashs des Anleihenmarktes.

Wir haben es mit einer riesigen Liquiditätswelle und künstlichen Niedrigzinsen zu tun. Billiges Geld führt zu Blasenbildungen – etwa auf dem Immobilien- und Anleihenmarkt – und verleitet zu Überschuldungen. Statt sich Marktanteile zu erarbeiten, kaufen Konzerne lieber mit billigen Krediten Firmen und deren Märkte dazu. Die Machtkonzentration nimmt zu und verschlechtert die Wettbewerbssituation zum Nachteil der Verbraucher. Kommt es zu einer Krise, könnte sich die Negativspirale erneut drehen: Bankenkrisen, Staatshilfen, ausufernde Staatsverschuldung, Kreditklemme, schrumpfende Wirtschaft, sinkende Steuereinnahmen bei zugleich höheren Sozialausgaben, Wohlstandseinbußen. Dabei befinden sich die Staaten europaweit finanziell in einer schlechteren Situation als vor der letzten Krise. Außerdem gab es damals noch ein Zinssenkungspotential: Seit 2008 hat der Bund etwa 94 Milliarden Euro an Zinszahlungen eingespart.

Dieses Einsparpotential gibt es nun nicht mehr – im Gegenteil: Es drohen steigende Zinsen und damit Mehrausgaben für Bund, Länder und Gemeinden. Ein Anstieg der Zinsen würde schnell auf die öffentlichen Haushalte durchschlagen. Die Mehrbelastungen können nur durch höhere Schulden oder Steuern ausgeglichen werden.

Erschwerend kommen zwei Dinge hinzu: Zum einen die exorbitant gestiegenen Haftungssummen Deutschlands, etwa die Griechenlandpakete und die Euro-Rettungsschirme oder die EZB-Anleihekäufe, für die die Bundesbank und damit wir alle haften. Zum anderen ist es die zusätzliche finanzielle Belastung im Zuge der Migrationspolitik: Mehrkosten von jährlich 50 Milliarden Euro erwartet beispielsweise das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Das alles läßt nichts Gutes erahnen. Wir sind derzeit für eine erneute Krise schlechter gewappnet als beim letzten Mal. Bleibt die Frage: Wer wird am Ende wieder die Krisenrechnung bezahlen? Die Steuerzahler natürlich.