© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die tun was
Christian Vollradt

Einer der schlimmsten Vorwürfe, die man einem Politiker machen kann, lautet: Untätigkeit. Um so schmeichelhafter ist es für den, dessen Name im Zusammenhang mit der Bewältigung gravierender Mißstände fällt. 

Kinderehen zum Beispiel. Deren Zahl ist im Verlauf der Asylzuwanderung gestiegen. 1.475 verheiratete Jugendliche hatte das Ausländerzentralregister hierzulande im Sommer verzeichnet; 361 Betroffene sind jünger als 14 Jahre, 120 sind 14 oder 15 Jahre alt. Gerichte hatten unterschiedlich über die Frage geurteilt, ob im Ausland bereits geschlossene Kinderehen in Deutschland anzuerkennen sind oder nicht; die Koalition stellte gesetzgeberischen Handlungsbedarf fest. 

Am Freitag mittag meldete Spiegel Online, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wolle „sogenannte Kinderehen von Flüchtlingen auflösen“. Künftig könnten dann, so zitierte der Spiegel einen Gesetzentwurf aus dem Hause Maas, Gerichte die Ehe aufheben, „wenn das Kindeswohl des minderjährigen Ehepartners gefährdet sei“. Auch die Beschleunigung entsprechender Verfahren sei geplant. „Die Anhörung über die Frage, ob diese aufgelöst wird, soll spätestens nach einem Monat erfolgen. Laut dem Entwurf können sowohl die Jugendämter als auch die Eheleute das Verfahren beantragen.“ 

Am Abend dann machte die Onlineausgabe der Bild-Zeitung mit der Schlagzeile auf, daß es mit der Verschärfungsabsicht des Justizministers doch nicht so weit her sei: denn anders als vom Koalitionspartner Union gefordert, sehe der Gesetzentwurf ja keine generelle Annulierung von im Ausland geschlossenen Kinderehen vor. 

Daraufhin teilte das Ministerium mit, die Berichterstattung beruhe „auf komplett veralteten Entwürfen“. Für die Bild-Journalisten stand indes fest, daß dieser Gesetzentwurf offensichtlich erst als „veraltet“ deklariert wurde, nachdem nicht mehr wohlwollend – wie vom Spiegel –, sondern kritisch berichtet worden war. 

Auf die Frage, worin sich nun der am Freitag kursierende und am Samstag für veraltet erklärte Entwurf von dem, der jetzt aktuell sein soll, unterscheide, teilte ein Sprecher des Justizministeriums am Montag mit: Sein Haus habe bislang überhaupt keinen Gesetzentwurf versandt. Man arbeite an dem Thema aber „mit Hochdruck“ in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Für den Minister habe absolute Priorität, „daß wir alles tun müssen, um Kinder und Jugendliche so wirksam wie möglich zu schützen“. Es dürfe, so erläuterte der Sprecher, keinen Zweifel daran geben, „daß dann, wenn Menschen zu uns kommen, die jünger als 16 Jahre sind und mit unter 16 Jahren geheiratet haben, diese Ehen in Deutschland nicht zulässig sind“. 

Woher dann der ganze Aufruhr in den Medien? Vor ihrer Berichterstattung hätten die dazu beim Ministerium auch gar nicht nachgefragt, betont der Sprecher. Deswegen wisse er auch gar nicht, woher dort die Entwürfe kommen.

Eines hat Heiko Maas an diesem Wochenende immerhin bewiesen: wie wenig man machen muß, um nicht untätig zu sein.