© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Ist Stuttgart 21 der neue BER?
Desaster am Neckarstrand
Moritz Schwarz

Ist Stuttgart 21 der neue Hauptstadtflughafen, also das nächste deutsche Großprojekt, welches im Desaster endet? „Übertreiben woll’n wir’s neet!“, mahnt der Österreicher. Richtig – an die BER-Katastrophe reicht Stuttgart 21 nicht heran.

Bauverzögerung? Ja. Kostenexplosion? Ja. Bei Inbetriebnahme bereits zu klein? Ja. Aber keine Bauruine, die bei „Fertigstellung“ quasi abgerissen und neu gebaut werden muß. Und Stuttgart 21 wird, wenn auch verzögert, in Betrieb gehen – beim BER ist das nicht sicher. Zumindest wenn Bahn oder Politik S 21 nicht doch noch stoppen, was aber unwahrscheinlich ist. Denn zum einen steht die Kanzlerin im Wort – schließlich hat sich Angela Merkel zwischen ihrer desaströsen Euro- und ihrer fatalen Asylpolitik für dieses Pleiteprojekt eingesetzt. Zum anderen gab es 2011 eine Volksabstimmung pro S 21.

Dabei war von Beginn an absehbar, daß die Kosten viel zu niedrig angesetzt wurden. Es heißt aber, fair zu sein und nicht vom ursprünglichen Kostenrahmen von 2,5 Milliarden Euro auszugehen. Denn das Projekt blieb nach der Ankündigung 1995 für 15 Jahre in der Planungsphase stecken. Klar, daß die Kosten bis zum Arbeitsbeginn 2010 auf etwa vier Milliarden stiegen. Nun sind es laut Bahn bereits 6,5 Milliarden. Einerseits argumentiert die Bahn, daß dies immer noch im Rahmen der zusätzlich geplanten Kostenrisiken liege. Andererseits gibt man zu, daß das Projekt den Punkt erreicht hat, an dem Kosten und Nutzen im Patt stehen. Sprich, noch einmal würde man S 21 wohl nicht beginnen. Wobei bis heute unklar ist, worin der Nutzen des Tiefbahnhofs überhaupt besteht. Insofern wäre selbst ein Bauabschluß zu alten Kosten ein Milliardengrab. 

Doch vielleicht kommt es gar noch dicker: Denn nun wurde bekannt, daß nicht nur die Projektgegner mit tatsächlichen Endkosten von zehn Millarden Euro rechnen – sondern auch der Bundesrechnungshof. Wie klagte einst Margaret Thatcher: „Ich will mein Geld zurück!“