© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Sächsischer Sündenbock
Vorwurf Staatsversagen: Die hämische Kritik am Freistaat ist heuchlerisch
Michael Paulwitz

Die Sachsen-Hasser haben mal wieder Hochkonjunktur. Vom pastoralen Spitzenpersonal der Republik schon höchstpersönlich als „Dunkeldeutschland“ und „Kaltland“ abgestempelt, sind der widerborstige Freistaat und seine vier Millionen Bürger willkommene Projektionsfläche für alles, was den Polit- und Mediengewaltigen nicht paßt am mißtrauisch beäugten Volk. Da kommt der mutmaßliche Selbstmord eines syrischen Terrorverdächtigen in einer Leipziger Gefängniszelle gerade recht, Sachsen und seiner Polizei den ganz großen Knüppel überzuziehen: „Staatsversagen“.

Starker Tobak in einem Deutschland, das im Rekordtempo zur Bananenrepublik mutiert. An dieser Elle gemessen, müßten gerade grün-linke Landesregierungen am Schandkasten Schlange stehen, um sich die wohlverdienten Prügel abzuholen. Die in Mainz zum Beispiel, die mit Nürburg-ring- und Flughafen-Affäre Skandale in Serie produziert. Oder Berlin, das mit der Ankündigung, Taschendiebstähle künftig gar nicht erst verfolgen zu wollen, gerade die nächste Teilkapitulation vor der ausufernden Kriminalität vollzieht und gemeinsam mit Brandenburg seit Jahren das Projekt Hauptstadtflughafen zur weltweiten Lachnummer gemacht hat. Bremen nicht zu vergessen, das ebenso wie Berlin achselzuckend hinnimmt, daß arabisch-libanesische Familienclans die Unterwelt unter sich aufteilen und im rechtsfreien Raum ihr Unwesen treiben. Zu schweigen von Nordrhein-Westfalen, dessen SPD-Innenminister gar nicht daran denkt, die von Politik und Polizeiführung stümperhaft versuchte Vertuschung der sexuellen Massenübergriffe der Silvesternacht aufzuarbeiten und seinen längst überfälligen Rücktritt zu erklären.

Da ist es mehr als nur Heuchelei, wenn alles hämisch mit dem Finger auf Sachsen zeigt und den Rücktritt des Justizministers fordert, weil die Festnahme eines syrischen Beinahe-Bombenlegers nicht pannenfrei verlief. Hätten die sächsischen Beamten den Mann mit einem gezielten Schuß an der Flucht gehindert, statt zuerst einen Warnschuß abzugeben, die Künasts dieser Republik hätten sie erst recht in der Luft zerrissen. Und hätte man den Verdächtigen tatsächlich dauerbewacht oder gleich in die Gummizelle für Suizidgefährdete gesteckt, die Krokodilstränen über „unmenschliche“ Haftbedingungen wären so sicher gewesen wie die „Refugees welcome“-Hymne auf einem Grünen- oder Linken-Parteitag.

Die gespielte Empörung über das angebliche „Justizversagen“ in Sachsen ist vor allem ein plumpes Ablenkungsmanöver. Die Möchtegern-Experten in Politik und Medien, die den sächsischen Polizei- und Justizbeamten besserwisserisch vorbeten, wie sie ihre Arbeit hätten machen sollen, drücken sich vor den brisanten Fragen, die im Fall Jaber al-Bakr eigentlich gestellt werden müßten: Wie kann es sein, daß ein vermeintlich verfolgter syrischer „Asylbewerber“, der zwischenzeitlich mehrfach zwischen Deutschland und seiner Heimat hin- und hergereist ist, trotzdem als bleibeberechtigt anerkannt und auf Staatskosten untergebracht und alimentiert wird? 

Warum ist keinem aufgefallen, daß der angeblich „erst in Deutschland radikalisierte“ Verdächtige in den sozialen Medien munter Propagandainhalte und Terrorvideos hochgeladen und geteilt hat, während die Länderjustizminister der Maas-Stasi im Chor vorwerfen, immer noch nicht genug gegen „Haßkommentare“ im Internet zu tun? Und was genau hat es mit den drei „syrischen Helden“ auf sich, die ihren Landsmann ausgeliefert haben sollen und die Politik und Medien dafür so innig umarmt haben und am liebsten mit Orden behängt hätten, obwohl der Terrorverdächtige sie vor seinem für einige nicht ungelegen kommenden Ableben als Komplizen benannt hatte?

Dahinter steckt das Versagen eines Staates, der die Kontrolle darüber verloren hat, wer sich auf seinem Territorium aufhält, und der auch keine Neigung zeigt, die illegale Masseneinwanderung wirksam abzustellen. Eines Staates, der seinen Bürgern dafür Opfer und Lasten abverlangt, die er weder absehen noch beziffern kann, dessen Politiker und Staatsmedien ganze Gruppen des eigenen Volkes pauschal verächtlich machen, um ihnen das Aufmucken dagegen auszutreiben, während sie in schöner Regelmäßigkeit jeden Übergriff von ungefragt ins Land gelassenen illegalen Einwanderern als „Einzelfall“ verharmlosen, der „nichts mit dem Islam zu tun“ habe.

Sachsen ist für dieses Staatsversagen nicht der Schuldige, sondern der Sündenbock, der gerade vom benachbarten Bayern die Rolle als Watschenmann der Meinungsmacher erbt. Nicht unverdient, was die politischen Eliten angeht, die zu tief in die Geisterfahrt der Bundespolitik verstrickt sind und sich oft genug selbst am bösen Bürgerbeschimpfungsspiel beteiligt haben. Erinnert sei an Ministerpräsident Stanislav Tillich, der gegen eine Asylunterkunft protestierenden Landsleuten das Menschsein absprach. 

Sachsens Bürger dagegen haben sich mehr als einmal als Seismographen bewährt, die man schlägt, weil man das kommende Beben nicht wahrhaben will. Die nicht jeden Übergriff hinnehmen, sondern Zivilcourage zeigen, wenn die Ordnung zusammenbricht. Die auch mal lautstark gegen selbstverliebte Politiker aufbegehren, die jegliche Kritik an ihrem abgehobenen Treiben für Majestätsbeleidigung halten. Wer „Mob“ und „Pack“ ins Volk hineinruft, braucht sich nicht zu wundern, wenn es „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ zurückschallt. Und nein, es sind vielfach eben nicht die „Abgehängten“, die auf die Barrikaden gehen, sondern nur zu oft wache Bürger, die aus frischer Diktaturerfahrung mißtrauisch sind gegen Indoktrination und konformistische Propaganda. Gut, daß Deutschland seine Sachsen hat.