© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Frisch gepresst

Brecht. 1947 aus dem sonnigen US-Exil nach Europa zurückgekehrt, siedelte der marxistische „Stückeschreiber“ Bertolt Brecht (1898–1956) zwei Jahre später in den tristen „Ostsektor“ Berlins über, um beim „Aufbau des Sozialismus“ in der DDR mitzuhelfen. Obwohl von der SED hofiert und mit üppigen Privilegien ausgestattet, verstand es der Stalin-Preisträger, das Image des Parteidichters zu meiden. Der Lyriker Uwe Kolbe, Jahrgang 1957, „gelernter DDR-Bürger“, glaubt in dem viel Sinn für Dialektik verratenden Brecht-Essay, einer Abrechnung mit der Links-intelligenz, in solcher scheinbaren Widersprüchlichkeit ein „Rollenmodell“ zu erkennen, das kritische Distanz und Linientreue kombinierte. Brecht habe damit den Prototyp des Intellektuellen im Arbeiter- und Mauerparadies verkörpert, der von Pankows treuester Opposition, kleineren Geistern wie Wolf Biermann, Volker Braun, Thomas Brasch und Heiner Müller, nachgeahmt und profitabel vermarktet worden sei. Ohne Brecht und seine am Systemerhalt arbeitenden, „gutgemeinten Polit-Kitsch“ und weltverbessernden „Hoffnungs-Firlefanz“ produzierenden Epigonen hätte das SED-Regime wahrscheinlich lange vor 1989 größere Legitimationsprobleme bekommen und wäre erodiert. (wm)

Uwe Kolbe: Brecht. Rollenmodell eines Dichters. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2016, gebunden, 175 Seiten, 18,99 Euro





Nationalrevolutionär. Als einen Vertreter der „verlorenen Generation“ bezeichnete Margret Boveri den 1899 geborenen Offizier Friedrich Wilhelm Heinz in ihrem Standardwerk „Der Verrat im XX. Jahrhundert“. Tatsächlich kann dessen Lebensweg vom Weltkriegsfreiwilligen und Freikorpsführer nach 1919 bis in die militärischen Strukturen der Wehrmacht, bei Heinz konkret in Wilhelm Canaris’ Abwehr, als typisch für seine die zwanziger und dreißiger Jahre prägende Alterskohorte gelten. Heinz bestimmte als Schriftsteller sogar deren politischen Diskurs mit. Und genauso wie andere „alte Kämpfer“ zog es Heinz seinerzeit in den Dunstkreis der politischen Rechten. Dennoch hielt der Strasser-Freund Abstand zur Hitlerpartei und geriet später über Männer wie Hans Oster in den Widerstandskreis. Sein Sohn hat nun die überaus interessanten Erinnerungen des nach dem 20. Juli das KZ Flossenbürg überlebenden Vaters neu herausgegeben. (bä)

Michael Heinz (Hrsg.): Friedrich Wilhelm Heinz. Erinnerungen und Gedanken 1919–1945. Michael Heinz Verlag, Kleinmachnow 2016, broschiert, 251 Seiten, 14,95 Euro