© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

500 Jahre Reformation: Neuauflage der nationalprotestantischen Lutherlegende
Der Reformator mit dem Hammer
(wm)

Drei nationale Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 werden gemeinsam unter dem infantilen Titel „3xhammer“ vermarktet, da sie den Thesenanschlag Martin Luthers an der Wittenberger Schloßkirche ins Zentrum rücken. Für den Göttinger Emeritus Hartmut Lehmann, eine Autorität auf dem Gebiet der Geistesgeschichte des Protestantismus, kommt ein solches Konzept einer Geschichtsklitterung gleich (zeitzeichen, 9-16). Denn seit mehr als fünfzig Jahren gehe die Forschung davon aus, daß Luther seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 weder an die Kirchentür hämmerte noch sonst „veröffentlicht“ hat, wie die Wissenschaft verfälschenden, „3xhammer“ verantwortenden „Werbefachleute“ behaupten. Der Wittenberger Mönch und Professor war zu dieser Zeit vielmehr „loyaler Reformkatholik“, der wußte, daß nur „diskret“ vorgetragene Kritik an kirchlichen Übelständen wirken würde. Der Aufruhr provozierende „Reformator mit dem Hammer“ hingegen knüpfe an das Klischee des 19. Jahrhunderts an, wonach die Reichsgründung den deutschen Aufstand gegen Rom und den Westen vollendete, den einst Luther begann. Ausgerechnet die Evangelische Kirche in Deutschland, die 2017 im „ökumenischen Geist“ begehen wolle, setze mit diesem „nationalen Provinzialismus“ klar einen „antiökumenischen Akzent“. 


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