© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Blick in die Medien
Erstaunlich ehrlich
Tobias Dahlbrügge

Der Norddeutsche Rundfunk sendet in seinem Fernsehprogramm das Medienmagazin „Zapp“. Die Sendung ist im Spätprogramm versteckt, zwischen 23.30 und 2 Uhr nachts. Moderatorin ist unter anderem Anja Reschke, die für ihren Kommentar „Aufstand der Anständigen“ zur „Journalistin des Jahres 2015“ gewählt wurde.

In einer der jüngsten Ausgaben widmete sich das „Zapp“-Team den journalistischen Standards für Interviews. Es ging um die Frage, inwieweit Änderungswünsche von Interviewpartnern im nachhinein erfüllt werden sollen. Als Experte befragten die Reporter Andreas Wolfers, den früheren Text-Chef des Stern und heutigen Leiter der Henri-Nannen-Schule. Die Hamburger Journalistenschmiede wird von Gruner + Jahr und dem Zeit-Verlag getragen und vom Spiegel unterstützt.

Fragen, die den Interviewer energisch wirken lassen, werden erst hinterher eingebaut. 

Wolfers‘ Antwort: Wenn die Änderungswünsche ein Ausmaß erreichen, durch welches das eigentliche Interview entstellt oder ins Gegenteil verkehrt werde, sollte es nicht abgedruckt werden. Doch dann fügte er noch eine aufschlußreiche Äußerung an: „Wir sollten aber auch so ehrlich sein einzugestehen, daß oft bei Journalisten selber die Angewohnheit besteht, im nachhinein an Interviews herumzudoktern.“

Als Beispiele nannte er, daß sich die Journalisten durch Umformulierung ihrer gestellten Fragen gerne schlauer machen, als sie während des Interviews waren. Zudem sei es Usus, energische Fragen, mit denen sich der Interviewer dem Leser gegenüber als besonders unerschrocken darstellt, erst hinterher einzubauen, obwohl die Fragen gar nicht gestellt wurden. 

Sein Fazit: „Es sind beileibe nicht nur die Interviewpartner, sondern auch die Journalisten, die – um besser dazustehen – Interviews nachträglich kräftig redigieren.“ Schon erstaunlich, daß dies kein „Lügenpresse!“-Schreihals kritisiert, sondern der Leiter des Institutes, das die „Qualitätsjournalisten“ ausbildet.