© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Grüße aus Bukarest
Starbucks und Bauernmarkt
Gil Barkei


Die Sonne scheint warm von hoch oben auf das Starbucks-Logo. Über mehrere Fensterreihen der Wohnblöcke hinweg sind riesige Werbebanner gespannt. Ich frage mich, ob die dahinter „eingesperrten“ Einwohner sich die Befreiung durch den Kapitalismus so vorgestellt haben.

An den blau-grünen, oben abgerundeten und an die Häuserecken geschraubten Straßenschildern sowie an einigen ebenso Paris ähnelnden Bauwerken erkennt man, daß beim repräsentativen Ausbau Bukarests Ende des 18. Jahrhunderts Frankreich als Vorbild diente. Die teilweise schwarz verrußten Fassaden und der Kabelsalat der oberirdisch verlaufenden Leitungen zeigen, daß mehr als 40 Jahre Sozialismus dann aber doch nicht so leicht abzustreifen sind.

Vor dem Palast des Parlaments ein Volksfest. Warum tragen hier so viele Jogginghosen?

Ich laufe am klobigen, in den neunziger Jahren renovierten und erweiterten Konsumpalast, auf neurumänisch „Unirea Shopping Center“, vorbei und biege in den breiten Bulevard Unirii ein. In der Ferne erhebt sich Ceausescus überdimensioniertes „Haus des Volkes“, jetzt der Parlamentspalast. Auf dem Bürgersteig blicken Passanten interessiert in die Schaufenster einer in Schwarz-Rot-Gold gehaltenen „Germag“-Filiale, in der vermeintliche deutsche Produkte verkauft werden, auch wenn das Gros der Mixer und Saftpressen den zumindest mir unbekannten und fast schon zu stereotyp deutsch klingenden Namen nach eher „made in China“ sein dürfte. Schon der 1881 zum ersten rumänischen König gekürte deutschstämmige Carol I. orientierte sich bei der technischen Erneuerung seines Landes an Preußen.

Vor dem Palast des Parlaments findet ein Volksfest statt. Auf einem kleinen Markt werden traditionelle rumänische Käse-, Wurst- und Süßwarenspezialitäten angepriesen. Eine Dame weit jenseits des üblichen Renteneintrittsalters bietet aus einer alten Faßpresse frischen roten Traubensaft an, und sogar einige bäuerlich wirkende Obst- und Gemüsestände gibt es. Habe ich jemals Brandenburger Kartoffelsäcke, noch mit Erde bedeckte Karotten oder Weißkohlkisten vor dem Reichstag in Berlin gesehen? Und warum tragen hier so viele Jogginghosen? Ist das wirklich Europa?

Am Abend stehe ich neben dem berühmten Bukarester Athenäum auf irgendeinem „Urban Fest“ an einem Burger-Foodtruck, im Hintergrund eine Podiumsdiskussion zur Nachhaltigkeit der modernen Stadt – und ich sehne mich nach diesem scheinbar so EU-fernen Europa von heute mittag.