© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Ziemlich beste Fronde
Intrige: Hans-Peter Friedrich (CSU) ist exponierter Kritiker Angela Merkels / Parteifreunde wollen seine erneute Kandidatur für den Bundestag hintertreiben
Hinrich Rohbohm

Er gilt als einer der schärfsten Kritiker von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der CDU/CSU-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag und ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich fordert schon seit längerem eine „Rückbesinnung der CDU auf ihren Markenkern, den anscheinend einige aus den Augen verloren haben“. Wer wolle, daß die deutsche Politik nach links rückt, der könne Rot-Grün wählen, solle damit nicht mehr die Union behelligen, forderte er.  „Der Merkel-Flügel der CDU kann sich ja ins rot-grüne Team verabschieden“, twitterte der CSU-Politiker im März dieses Jahres. Und auch in der Zuwanderungspolitik gehört er mit zu jenen Unionspolitikern, die von der Kanzlerin eine Kursänderung einfordern. 

Worte, die Angela Merkel nicht schmecken dürften. „Genervt“ sei sie darüber, erzählen CDU-Insider, die sogar davon sprechen, daß die Kanzlerin den Oberfranken loswerden wolle. Wie das erfolgen soll, darüber gibt es innerhalb der CSU bereits Vermutungen. „Er soll als Bezirksvorsitzender abgesägt werden“, meint ein CSU-Funktionär, der namentlich nicht genannt werden möchte. In diesem Zusammenhang fallen gleich von mehreren Seiten innerhalb der Christsozialen die Namen von vier Abgeordneten. 

Demnach sollen zu dem Anti-Friedrich-Bündnis die beiden Bundestagsabgeordneten Thomas Silberhorn und Emmi Zeulner sowie die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier und der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner gehören. „Alle vier sind überzeugte Merkel-Anhänger“, meint ein Kommunalpolitiker aus Friedrichs Bundestagswahlkreis.

Bemerkenswert ist das vor allem bei Jürgen Baumgärtner. Der 43jährige ehemalige Berufsoffizier ist bei der jüngsten bayerischen Landtagswahl 2013 erstmals in das Parlament gewählt worden. Als Jugendlicher gehörte er noch der aktiven Neonazi-Szene an. Unter anderem war er Mitglied der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), einer 1979 ins Leben gerufenen Organisation, die auch Kontakte zum rechtsextremen Netzwerk von „Blood and Honour“ sowie zu Führungskadern der Freien Kameradschaften pflegte. 

Außer Baumgärtner gehörten auch der als „SS-Siggi“ bekannte Siegfried Borchardt sowie der ehemalige Vorsitzende der Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS), Christian Worch, zur HNG. Die Organisation war eng mit der ANS verflochten, deren Führungsriege sich gegen Ende der siebziger Jahre aufgrund diverser Straftaten nahezu komplett hinter Schloß und Riegel befunden hatte.

Seelischer Druck            und Beschimpfungen

Ehemalige Funktionäre der Jungen Union erinnern sich noch gut an Baumgärtner. „Der wollte damals den Landesverband übernehmen“, schildert einer von ihnen der JF. Der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber habe sich persönlich eingeschaltet, um eine Wahl Baumgärtners zum JU-Landesvorsitzenden abzuwenden. 

Das ist lange her. Dem Rechtsextremismus habe er längst abgeschworen, hatte der CSU-Landtagsabgeordnete schon mehrfach klargestellt. Inzwischen ist er nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch Kreisvorsitzender der CSU Frankenwald.  „Von seinen Methoden her hat der sich nicht geändert“, meint jedoch Hubert Bähr, ein ehemaliger CSU-Ortsvorsitzender und einstiges Gemeinderatsmitglied von Marktrodach. Der 63jährige, ein Sympathisant von Hans-Peter Friedrich, hat nach 35 Jahren gerade seine Parteimitgliedschaft gekündigt. 

Der Grund dafür sei Baumgärtner, sagt er. Bähr hatte sich in Facebook-Beiträgen kritisch gegenüber Merkels Zuwanderungspolitik geäußert, sprach unter anderem von einer „fahrlässigen Masseneinwanderungspolitik“ der Bundesregierung. Daraufhin habe es von Baumgärtner Druck gegeben. Bähr spricht von „Drohanrufen“ und „Telefonterror“ sowie von Versuchen Baumgärtners, ihn zu diskreditieren. „Du sagst doch nur, was die Leute denken“, hatte Friedrich ihm Mut zugesprochen. 

Doch der seelische Druck, die Beschimpfungen von Parteifunktionären, all das sei zuviel für ihn gewesen. Alle, die gegen ihn seien, wolle er herausekeln. Wer nicht spure, der fliege. Zeitweise habe er unter Schlafstörungen gelitten. Im Herzen werde er der CSU jedoch treu bleiben. Aber: „Ich muß in dieser Situation auch an meine Familie und meine Gesundheit denken.“ 

Ähnliche Erfahrungen will auch ein ehemaliger CSU-Kreisgeschäftsführer gemacht haben, der sich ebenfalls kritisch zu Merkels Zuwanderungspolitik geäußert hatte. „Baumgärtner hatte mir darauf ein Parteiausschlußverfahren angedroht“, erzählt er. Gleichzeitig habe er jedoch mitbekommen, wie dem Landtagsabgeordneten wohlgesonnenen Personen bei einem Eintritt in die CSU Beitragsfreistellungen in Aussicht gestellt wurden. Dem Wandel des Landtagsabgeordneten vom Rechtsextremisten zum Demokraten schenkt er keinen Glauben. „Er hat sich gewandelt, weil er das Ziel verfolgt, politisch nach oben zu kommen“, mutmaßt der einstige CSU-Mitarbeiter, daß sich Baumgärtner nur zum Schein von seinem Neonazi-Umfeld gelöst habe. „Er ist ein guter Schauspieler“, meint er. 

Die HNG wurde übrigens vor fünf Jahren per Erlaß vom Bundesinnenminister verboten. Und der hieß damals: Hans-Peter Friedrich.