© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Straßenumbenennungen
Ideologischer Hausputz
Thorsten Hinz

Das grün regierte Freiburg im Breisgau hat vier Jahre lang sämtliche 1.300 Straßennamen auf mögliche politisch-historische Belastungen überprüfen lassen (siehe S. 16). Andere Städte werden mit Sicherheit dem Beispiel folgen.

Solch ideologischer Hausputz ist mehr als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für parteinahe Geisteswissenschaftler. Es geht um Macht- und Legitimationsfragen. Wer die Bundesrepublik nicht mehr für die Fortsetzung, sondern für die Überwinderin der deutschen Geschichte hält; wer an der Überwindung arbeitet und daraus seine Macht, sein Selbstverständnis und sein Einkommen bezieht, befestigt seine Vorherrschaft, indem er sein Geschichtsbild in die Stadtlandschaft einschreibt. 

Doch auch das ist nur die aktuelle Erscheinung einer tieferen Zeittendenz. Wieder einmal läßt die besinnungslose Gegenwart ihre Lemuren von der Leine und auf die Vergangenheit los. Der bundesdeutsche Phänotyp kommt mit ihr nur zurecht, wenn er sie auf das Bewältigungsformat zurechtstutzt. Küren die Dummheit und Eindimensionalität sich also zu Siegern der Geschichte? Möglich ist alles – und damit auch das Gegenteil. Wenn nun in Freiburg der Martin-Heidegger-Weg seinen Namen verliert, drückt sich darin lediglich der sprichwörtliche Schlamm aus, der sich gegen den Berg erhebt.