© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Rußland hatte gute Absichten
Ein Unionspolitiker über die Zeit nach 1990
Manfred Backerra

Der CDU-Politiker Willy Wimmer skizziert schlaglichtartig persönliches Erleben und Handeln als Verteidigungspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE in der Zeit um die deutsche Wiedervereinigung. Er versucht an Beispielen ab 1987 zu belegen, daß Moskau seiner Einschätzung nach ein „gemeinsames Haus Europa“ anstrebte, initiiert vor allem durch Michail Gorbatschows Berater Marschall Sergei Achromejew und Valentin Falin. Die Sowjetunion stimmte sogar der Nato-Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland zu – gemäß dem Vorschlag des Autors an Bundeskanzler Kohl. Sie zog ihre Truppen vertragsgetreu ab. 

Dabei hätten das Verhalten nach 1990 gegenüber den sowjetischen Armeeangehörigen in der Ex-DDR und sogar zwei Morde an Soldaten der Roten Armee immer wieder Anlässe zu Verzögerungen bieten können. Sowjetische Kommandeure waren laut Wimmers Erfahrung meist konstruktiv und kooperativ, als Wimmer Gemeinden und Garnisonen zu Problemlösungen zusammenbrachte. Ähnlich half der Autor vor der Vereinigung dem neuen DDR-Verteidigungsministerium, um Lösungen für die zu erwartenden Probleme der NVA vorzubereiten. Daß die NVA zu 35 Prozent aus Offizieren bestand, die Bundeswehr aber nur zu neun Prozent, verbot eine Übernahme eins zu eins. „Auflösen ohne Rest“ oder  Unterstellung von NVA-Truppen unter die Ministerpräsidenten der Länder waren Extremvorstellungen. Bonner Kreise wollten nicht  kooperieren. 

Wimmer zeigt eindringlich, welch große Chancen für ein prosperierendes Europa und eine befriedete südliche Peripherie in Asien und Nordafrika bestanden – vor allem für ein souverän handelndes wiedervereinigtes Deutschland. Doch die Akte Moskau ist ein Dossier der Feindschaft geworden, „weil es den Planern in Washington gefällt und unsere Regierung zu schwach ist, sich deren Monopolanspruch entgegenzustellen“. Es gäbe aber sehr gute Gründe, dies zu tun. Das zeigen Wimmers Erlebnisse im heutigen Rußland, sogar mit Putin.

Willy Wimmer: Die Akte Moskau, Zeitgeist Print & Online, Höhr-Grenzhausen 2016, gebunden 328 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro