© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Kießling-Wörner-Affäre als Medienschlacht: „Geistig-moralische Wende“ erschüttert
Ein General in der Gegenoffensive
(ob)

Im Januar 1984 bescherte die „Affäre Kießling“ der ersten Regierung Helmut Kohls einen veritablen Skandal. Bis heute, so kritisiert Heiner Möllers, Projektbereichsleiter Medien am Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften, sei die wegen „homosexueller Neigungen“ verfügte Entlassung des Generals Günter Kießling durch Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) nur einseitig aufgearbeitet worden (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 3/2016). Der „Skandal“ sei aber nicht exklusiv eine Sache der Medien gewesen, sondern erweise sich in der Nachbetrachtung als ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Interaktionen, die auch durch Kießling selbst und Wörners Pressearbeit beeinflußt wurden. Kießlings geschickte, die Vorwürfe entkräftende Gegenoffensive sowie Wörners Desaster mit seinem „Kronzeugen“, dem vorbestraften Chefredakteur der Schwulenpostille Du und ich, brachte schnell den Minister als lohnenderes Ziel in die Schlagzeilen. Nur noch von der FAZ gestützt, habe die veröffentlichte Meinung das „in Agonie“ versetzte Ministerium „vor sich her getrieben“. Trotzdem hielt der Kanzler an dem „saublöd“ (Kohl) agierenden Wörner fest, um die durch den Flick-Parteispendenskandal schon fragwürdig gewordene Glaubwürdigkeit seiner „geistig-moralischen Wende“ nicht weiter zu erschüttern. 


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