© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Den Leser in die Schranken weisen
Immer mehr Zeitungen verlangen Geld für ihre Online-Inhalte / Die Methoden sind dabei vielfältig
Christian Schreiber

Als sich vor mehr als 20 Jahren der Siegeszug des Internets anbahnte, brach in vielen Verlagshäusern regelrechte Goldgräberstimmung aus. Egal ob regional oder überregional – alle Zeitungen waren erpicht darauf, ihre Artikel ins Netz zu stellen. Von der Reichweite der Artikel versprachen sich die Geschäftsführer neue Werbemärkte. Daß die Verkaufszahlen der Printausgaben gleichzeitig in den Keller rauschten, löste schließlich eine Diskussion aus, die bis heute noch nicht völlig abgeschlossen ist. 

Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger haben mittlerweile 120 Zeitungen eine Bezahlschranke im Netz eingeführt. Davon setzen 67 Zeitungen auf ein sogenanntes Freemium-Modell. Dabei bleibt ein Teil der Artikel kostenfrei, während der Rest des Online-Angebotes nur nach Erwerb eines Tagespasses oder Abos zugänglich wird. Ein Beispiel für dieses Modell ist das Angebot BILDplus des SpringerVerlags. 

45 weitere Blätter setzen auf das sogenannte Metered-Modell. Ein Beispiel hierfür ist die Welt, bei der Leser monatlich freien Zugang zu maximal 20 Artikeln haben. Ist dieses Kontingent erschöpft, müssen sie bis zum nächsten Monat warten oder ein Abo abschließen. Schließlich gibt es noch die harte Bezahlschranke, bei der das komplette Online-Angebot kostenpflichtig wird. Für dieses Modell haben sich sechs Zeitungen entschieden. 

Einige andere Zeitungen wie die taz setzen auf die Spendenbereitschaft ihrer Leser und stellen ihnen frei, ob sie für einen Artikel etwas bezahlen wollen oder nicht. Jeder zweite Deutsche (48 Prozent) ist nach einer aktuellen Umfrage bereit, für einzelne digitale Zeitungsausgaben Geld auszugeben. Genauso viele sind bereit, für ausgewählte Artikel oder sonstige redaktionelle Inhalte einzeln zu bezahlen. Dagegen würden nur 28 Prozent ein klassisches Monatsabo abschließen. Das Medienportal Meedia sieht einen Wachstumsmarkt für die Branche. Der moderne Leser suche sich seine Inhalte über das Netz gezielter aus, er sei nicht mehr unbedingt bereit, ein ganzes Magazin oder eine Tageszeitung zu kaufen, wenn er doch nur zwei oder drei Artikel lese. „Das Geschäft mit den Inhalten wird künftig noch kleinteiliger werden“, heißt es.

In einigen Wochen wird auch die Wochenzeitung Die Zeit nachziehen und Teile ihres Online-Angebots hinter einer Bezahlschranke verstecken. Als Grund für die Bezahlschranke nennt Geschäftsführer Rainer Esser das Abflachen der Wachstumsraten bei der Internetwerbung. Zum Start erwartet der Manager allerdings noch keine „signifikanten Vertriebserlöse“. 

Die großen Vorbilder sitzen in den Vereinigten Staaten

Das große Vorbild der Medienlandschaft sitzt in den USA. Dort hat das System mit den „Mautstellen im Netz“ bereits Erfolg. Das Digital-Abonnement der Tochterzeitungen New York Times und International Herald Tribune haben bereits knapp 600.000 Personen abgeschlossen. Allerdings sind die Werbeeinnahmen seit der Einführung der Bezahlschranke signifikant gesunken. Ein anderer Trend läßt sich bei den Wirtschaftsblättern ablesen. Die kostenpflichtigen Angebote von Financial Times und Wall Street Journal erfreuen sich hoher Beliebtheit. „Wirtschaftsinformationen sind häufig bares Geld wert“, bilanziert das Handelsblatt.

Einer der Marktführer ist derzeit das Angebot „LaterPay“. Erst ab einer Summe von fünf Euro müssen die Nutzer eine Kreditkarte hinterlegen, den Betrag überweisen oder per Bankeinzug einziehen lassen. Bezahlt wird nur das, was tatsächlich gelesen wurde. Derzeit ist die Firma dabei, andere Angebote wie Flatrates zu prüfen. Schwächen haben die Bezahlsysteme allerdings auch. Mit ein paar technischen Tricks oder dem Surfen über eine IP-Verschlüsselungsseite lassen sich die „Mautstellen“ umgehen.

Zahlreiche Tageszeitungen setzen daher eher auf Modelle wie den sogenannten „Tagespaß“. 1,99 Euro kostet beispielsweise eine zeitlich begrenzte Süddeutsche Zeitung. Das ist wesentlich billiger als die 2,40 Euro für eine normale Ausgabe. Viele Zeitungen klagen zudem über das Problem, daß ihre Angebote jahrelang kostenlos waren. „Warum für etwas zahlen, was zuvor gratis war“, fragt die linksalternative taz. 

Einige Verlage gehen dennoch den harten Weg. Die Rhein-Zeitung entschied vor einiger Zeit, eine generelle Paywall einzuführen. Chefredakteur Christian Lindner hat die Einführung der virtuellen Kasse verteidigt und betont, „daß Reichweite für sich genommen kein Wert mehr ist“. Der Journalist erklärte zudem ein neues Phänomen der Bezahlschranken. „Sie sorgt zwar dafür, daß wir flüchtige anonyme Nutzer verlieren, aber sie schafft eine neue Form der Kundenbeziehung. Der Leser steht mit dem Verlag wieder in einem direkten Kontakt. Und das ist auch viel wert.“ Auch Lindner sieht in dem Modell der New York Times ein Vorbild. 

Mit 1.200 Redakteuren ist sie das personalstärkste Blatt der Welt. „Guter Journalismus kostet eben Geld“, teilt der Verlag selbstbewußt auf seiner Internetseite mit. Diese Information erhält der Leser übrigens kostenlos.