© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Steuerzahler an die Front
Finanzmarkt: Die Deutsche Bank in der Existenzkrise / US-Strafzahlungen nur die Spitze des Eisbergs?
Peter Schönfeld

Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.“ Das sagte im Oktober 2008 Josef Ackermann, seit 2002 Chef der Deutschen Bank. Bis zu seinem Ausscheiden 2012 schien dies tatsächlich unnötig – ein Großteil der Giftpapiere wurde rechtzeitig an die vom Steuerzahler gerettete IKB sowie weitere große und kleine Ahnunglose weitergereicht. Daß die Pleitebank HRE vom deutschen und der Finanzkonzern AIG vom US-Steuerzahler gerettet wurde, kam dem größten deutschem Geldhaus zupaß.

Der 68jährige Ackermann versüßt sich inzwischen für 120.000 Euro seinen Lebensabend als Verwaltungsratschef der Bank of Cyprus auf der Sonneninsel der Aphrodite. Der Deutschen Bank geht es hingegen so schlecht wie nie seit ihrer Auferstehung 1952. Die Aufseher sind alarmiert, immer mehr Marktteilnehmer zweifeln an der Zahlungsfähigkeit und sorgen sich um die Eigenkapitaldecke. Der Währungsfonds IWF sieht die Deutsche Bank als Hauptschuldige für das systemische Risiko, das derzeit dem globalen Bankensystem innewohnt.

Der Streßtest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) taxierte die Kernkapitalquote der Deutschen Bank im Krisenfall auf nur noch 7,8 Milliarden Euro. Das Management fühlte sich daher genötigt, per Ad-hoc-Mitteilung die Zahlungsfähigkeit zu bestätigen, Vorstandschef John Cryan habe auch nicht um Staatshilfe nachgesucht. Anlaß der Rettungsgerüchte war eine Horrormeldung vom 16. September, wonach das US-Justizministerium der Deutschen Bank eine 14-Milliarden-Dollar-Strafe aufbrummen will. Die Bank habe 2013 den Wert ihrer hypothekenbesicherten Han­dels­pa­piere (Mortgage-Backed Securities/MBS) manipuliert.

Bislang sind nur 5,5 Milliarden Euro für Rechtsstreite bilanziell zurückgestellt. Wenn die Anwälte keinen Abschlag heraushandeln sowie die US-Regierung sich nicht von der unausgesprochenen Drohung einer Finanzkrise 2.0 beeindrucken  läßt und kein Entgegenkommen zeigt, wäre die Strafe existenzbedrohend. Die 2,2 Milliarden Euro für die Libor-Zinsmanipulation oder die 900 Millionen für den Kirch-Skandal wären da nur „Peanuts“. Denn obwohl die Deutsche Bank zehn Prozent des globalen Derivatevolumens – 2015 war ein Rekordjahr mit 25 Milliarden gehandelten Kontrakten – bündelt, beträgt ihr Eigenkapital nur ein Bruchteil dessen, was US-Großbanken ausweisen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Rechtsstreitigkeiten und die fallende Zinsmarge durch die EZB-Niedrigzinspolitik.

Die aktuelle Marktkapitalisierung von zirka 15 Milliarden Euro – vor zehn Jahren waren es noch dreimal soviel – ließe kaum noch Spielraum, wenn die US-Strafe rechtskräftig würde. Die Aktionäre und Kunden müßten gemäß EU-Recht einspringen – oder eben via „vorsorglicher Rekapitalisierung“ die Steuerzahler. John Cryan verweist auf die hohe Liquidität – doch wie ist es mit der Zahlungsfähigkeit der Deutschen Bank wirklich bestellt?

Hedgefonds-Manager verlieren die Geduld

Für das zweite Quartal 2016 wird eine Liquiditätsreserve von 220 Milliarden Euro ausgewiesen. Nach aktuellen Vorgaben des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht muß die Mindestliquiditätsquote (LCR) 100 Prozent der Nettoabflüsse der Bank der kommenden 30 Tage abdecken und im Notfall schnell zu Geld gemacht werden können. Die Deutsche Bank erfüllt diese Vorgabe laut Zwischenbericht vom 30. Juni: Mit einer Quote von 124 Prozent könnte die Bank rechnerisch fünf Wochen lang ihre aktuellen Zahlungsverpflichtungen einhalten. Die für echte Notfälle relevante „Netto-Liquiditätsposition unter Streß“ (sNLP) allerdings sank innerhalb der vorangegangenen sechs Monate um 17 auf nunmehr nur noch 29 Milliarden Euro.

Auch Hedgefonds-Manager verlieren die Geduld, sie sollen bereits erhebliche Summen abgezogen und ihre Derivate-Positionen der Konkurrenz anvertraut haben. Die Gefahr besteht nun darin, daß eine tödliche Spirale einsetzt und die Masse der Sparer und Anleger diesem Vorbild folgten. Ein Bank Run würde die Liquiditätslage weiter verschlechtern. Denn das Privatkundengeschäft wiegt in Sachen Liquidität noch weit schwerer für die Frankfurter als die Einlagen der Hedgefonds. Das zeigt die Explosionskraft des Schlamassels. Während Lehman Brothers 2008 aufgrund des Fokus auf Fonds eher behäbig unterging, könnte der Zusammenbruch der Deutschen Bank schneller und schmerzhafter verlaufen. Eine überstürzte Anlegerpanik könnte das Finanzinstitut innerhalb weniger Stunden an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen. „Anleihenkönig“ Jeff Gundlach warnte bereits: „Stay away from trading with Deutsche Bank.“

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble haben Staatshilfen ausgeschlossen, aber medial wird längst dafür geworben: Der Spiegel begründet, warum „ein Einstieg des Bundes genau die richtige Lösung für das Geldhaus sein“ würde. Die FAZ zitiert Dax-Größen: „Die deutsche Industrie braucht eine Deutsche Bank, die uns in die Welt hinausbegleitet“, meinte Jürgen Hambrecht (BASF). Für Deutschland wäre es schlecht, wenn der Zugang zu den Weltkapitalmärkten nur noch über ausländische Banken liefe, warnte Johannes Teyssen (Eon). „Deutschland braucht die Deutsche Bank“, dekretierte Carsten Kengeter. Der Chef der Deutschen Börse gab damit eine Marschrichtung vor, Sigmar Gabriel die andere: Der Wirtschaftsminister geißelte zwar das „Spekulantentum“, verwies gleichzeitig auf seine Sorge um die 45.000 Deutsche-Bank-Mitarbeiter in Deutschland.

Längst machen Gerüchte die Runde, nach denen die Bundesregierung einen Rettungsplan ausarbeite. Ein Staatsanteil von 25 Prozent sei im Gespräch. „So billig gab es Deutschlands größtes Geldhaus noch nie. Für den Staat könnte es ein Schnäppchen sein“, trommelte der Spiegel. Ansonsten schlügen die Türken zu, streute die Boulevard-Presse. Yigit Bulut, Berater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, soll vorgeschlagen haben, via Staatsfonds die Milliarden aufzubringen und so aus der Deutschen eine „Türkische Bank“ zu machen. Und es werden sicher bald weitere „Argumente“ auftauchen, warum die Deutsche Bank „too big to fail“ und ihre Rettung daher „alternativlos“ ist: Bislang sei laut Emnid nur ein Viertel der Deutschen zu einem „Bail-in“ bereit.

Anleger-Portal der Deutschen Bank: www.db.com

Ergebnisse des Bankenstreßtests 2016 der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA): www.eba.europa.eu