© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

European Defence Bonds als Hintertür für Eurobonds?
Brüsseler Blaupause
Dirk Meyer

Nach dem Brexit sehen Deutschland und Frankreich gute Chancen für eine vertiefte Verteidigungskooperation der dann 27 EU-Staaten im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hat Gemeinschaftsprojekte zur Terrorabwehr und zum Schutz der EU-Außengrenzen vorgeschlagen. Kosten-, Qualitäts- und Effizienzvorteile sprechen dafür. Doch zur Finanzierung sind European Defence Bonds (EDB) im Gespräch. Diese Verteidigungsanleihen wären nichts anderes als Eurobonds, also Kredite, für die bei Ausfall eines EU-Mitgliedes die anderen haften würden.

Da die EU im Rahmen ihres Eigenmittelhaushaltes keinerlei Kredite aufnehmen darf (Artikel 310 AEU-Vertrag), müßte bei unionsweiten Anleihen ein Vehikel zwischengeschaltet werden. Dies könnte zum einen die Europäische Investitionsbank sein, die schon den Infrastrukturfonds in Höhe von 315 Milliarden Euro verwaltet. Entsprechend schlägt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen neuen European Defence Fund vor. Zum anderen begibt der Euro-Rettungsschirm ESM de facto schon jetzt Eurobonds, für die bei Staatsinsolvenz die anderen Eurostaaten haften. Der auf völkerrechtlicher Vertragsgrundlage stehende ESM bietet deshalb eine Vorlage, nach der EDB aufgelegt werden könnten.

Eine anteilige Finanzierung von EU-Verteidigungsprojekten entspricht dem Grundsatz der Finanzierung öffentlicher Güter. Diese kann über national zu erhebende Steuermittel oder über nationale Staatskredite erfolgen. Eine staatenübergreifende Anleihe, noch dazu mit einer gesamtschuldnerischen Haftung bei Ausfällen, ist jedoch keineswegs zwingend. Eurobonds liegen im Interesse jener EU-Mitglieder, die „weiche“ Haushaltsziele verfolgen und bereits an die Grenze ihrer Schuldentragfähigkeit gelangt sind. Eurobonds geben Anreize zur Schuldenvergemeinschaftung. Frankreich und Italien fordern zudem, daß Verteidigungskredite nicht unter die Regeln des Fiskalpaktes fallen sollen.

Ein weiteres gewichtiges Argument gegen EDB ist ihre Blaupause für Eurobonds in anderen Politikbereichen. So können sie als Einfallstor für eine entsprechende Finanzierung bei Investitionen in transeuropäische Netze, von Flüchtlingsausgaben und Investitionshilfen im Rahmen des Infrastrukturfonds gelten. Gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. September 2011 müssen europäische Verpflichtungen sachlich und zeitlich hinreichend spezifiziert sein und sind an die parlamentarische Zustimmung gebunden. Außerdem sind die Beschlüsse zur GSVP vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs und vom Rat der EU einstimmig zu fassen (Artikel 42 EU-Vertrag). Eine nationale Sperre ist demnach geboten.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.