© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

„Die feiern ihre verquaste deutsche Einheit“
Regionalismus: Einst regierte die Bayernpartei im Freistaat mit / 70 Jahre nach ihrer Gründung versteht sie sich als Teil europäischer Unabhängigkeitsbewegungen
Thorsten Brückner

Ihr 70jähriges Bestehen feierte die Bayernpartei am Montag nur einen Steinwurf entfernt von dem Ort, von dem aus sie 2018 Bayern in die Unabhängigkeit führen will: im Münchner Hofbräukeller unweit des Maximilianeums. Beim dortigen Jubiläumsparteitag war alles geboten, was das bajuwarische Herz höher schlagen läßt: Böllerschützen, Bier und Blasmusik. Unter dem frenetischen Beifall von mehr als 350 Mitgliedern und Sympathisanten – darunter auffallend viele junge Leute, die in Tracht gekleidet kamen – beschworen Generalsekretär Hubert Dorn und der Parteivorsitzende Florian Weber den Geist bayerischer Souveränität. 

Den Tag der Deutschen Einheit haben die Verantwortlichen dabei bewußt gewählt. „Die anderen feiern heute ihre verquaste deutsche Einheit“, so Dorn. „Mir ist die Einheit Südtirols mit Tirol wesentlich wichtiger als die von Mecklenburg-Vorpommern mit Deutschland.“ Auch gegen den Bayerischen Rundfunk, der an diesem Festtag durch Abwesenheit glänzte teilte Dorn aus:  Dieser sei „eine Schande für Bayern“. An die Senderverantwortlichen gerichtet sagte er: „Wenn wir im Landtag sind, seid’s ihr die ersten, die fort sind.“ Auch im Hinblick auf die Asylpolitik fand Dorn klare Worte: „Mit uns hätte es die Attentate von Würzburg und Ansbach nicht gegeben, weil diese Personen erst gar nicht ins Land gekommen wären.“ Die Partei hätte die Bayerische Grenzpolizei wieder reaktiviert und entgegen Merkels „‘Macht hoch die Tür die Tor macht weit’-Politik“ (Dorn) die Grenzen gesichert.

Parteichef Weber stellte klar: „Wer nach Bayern zieht, egal ob aus Aleppo oder Berlin, muß unsere Kultur und unsere Werte respektieren.“

Von der weiß-blauen Herrlichkeit früherer Tage ist die Partei allerdings noch ein gutes Stück entfernt. In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik war die Bayernpartei zwischen Alpenland und Main ein wesentlicher Machtfaktor. Bei den ersten Bundestagswahlen erreichte sie im Freistaat 20,9 Prozent. Von da an ging es mit den Resultaten stetig bergab. Dennoch war sie zwischen 1954 und 1957 Teil der von Wilhelm Hoegner (SPD) geführten Viererkoalition und stellte mit ihrem damaligen Vorsitzenden Joseph Baumgartner den stellvertretenden Ministerpräsidenten.

Fünf Jahre später dann die Koalition mit der CSU. Allerdings war die Partei bis 1966 nur das weiß-blaue Anhängsel der Christsozialen, die im Landtag über eine absolute Mehrheit verfügten. In den siebziger Jahren stand sie sogar kurz vor der Auflösung. Bei der Landtagswahl 2008 schaffte sie mit 1,1 Prozent zumindest wieder den Sprung in die Wahlkampfkostenerstattung. Seitdem geht es bergauf. Die Zugewinne folgen einem europaweiten Trend: Regionalparteien sind als dritter Weg zwischen Brüsseler Zentralismus und wieder aufkeimendem Nationalismus im Kommen. Die Bayernpartei gehört der europäischen Parteienfamilie der „Europäischen Freien Allianz“ (EFA) an, in der unter anderem auch die Neu-Flämische Allianz, die schottische SNP sowie die katalanischen Linksnationalisten vertreten sind.  Zum Jubiläumsparteitag waren auch Vertreter von Schwesterparteien in die bayerische Landeshauptstadt gereist. Die Südtiroler Freiheit übermittelte ebenso eine Grußbotschaft wie die Vorsitzende der Bewegung „Autonomie für Schlesien“. Hauptredner war der stellvertretende EFA-Fraktionsvorsitzende Josep-Maria Terricabras aus Katalonien, der sich volkstümlich als „Sepp“ vorstellte.

Auch die vergangenen Landtagswahlen haben den Aufwärtstrend der bayerischen Patrioten bestätigt. 2013 erzielten sie mit 2,1 Prozent ihr bestes Ergebnis seit 1966. Im Münchner Stadtrat stellt die Partei mittlerweile die zweitgrößte Oppositionsfraktion. In vielen Fragen positioniert sich die Bayernpartei – anders als viele ihrer europäischen Schwesterparteien – freiheitlich-konservativ. Etwa bei der Forderung nach einem einfacheren Steuerrecht oder mehr direkter Demokratie. Hinzu kommen speziell regionalistische Programmpunkte wie die Abschaffung des Länderfinanzausgleichs, der Erhalt der bayerischen Dialekte sowie als Hauptziel und einigende Klammer um alle unterschiedlichen ideologischen Strömungen die Wiederherstellung der 1870 verlorengegangenen Unabhängigkeit. 

Ein Haupthindernis dürfte dabei das im Vergleich zu Altbayern und Schwaben schwache Abschneiden in den drei fränkischen Bezirken sein. Hier hat die Partei vor allem ein Kommunikationsproblem, tritt sie doch für eine Autonomie Frankens in einem unabhängigen Bayern ein. In Franken hat die Partei auch deutlich weniger Mitglieder. So stehen rund 2.000 Personen im mitgliederstärksten Bezirk Oberbayern 150 Mitgliedern in Oberfranken gegenüber.