© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Knapp daneben
Sitzenbleiber zur Kasse bitten!
Karl Heinzen

Etwa 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche sitzen die Zeit bis zum Eintritt ins Erwerbsleben an deutschen Schulen ab. Die Kosten, die sie dem Steuerzahler aufbürden, sind erheblich. Da „Bildung“ unserer „Wissensnation“ als Investition in die Zukunft erscheint, schaut aber niemand genauer hin. Die Frage, ob es sinnvoll ist, jungen Menschen Lerninhalte aufzuzwängen, die sie größtenteils für ihr späteres Leben nicht benötigen und folgerichtig innerlich ablehnen, gilt als unstatthaft. Auch die Wirtschaft schweigt, obwohl ihr Nachwuchs durch die Schule so nachhaltig neurotisiert wird, daß er innerliche Blockaden gegen die Berufsausbildung aufbaut. Lediglich Sitzenbleiber werden kritisch beäugt, gilt doch schulisches Versagen als Frühindikator für soziale Problemfälle von morgen. Wer als Jugendlicher den gesellschaftlichen Anforderungen nicht genügt, wird ihnen auch als Erwachsener kaum gerecht werden, und selbst wenn er sich bessert, ist er zunächst einmal ein Kostenfaktor.

Mancherorts ist das Sitzenbleiben so weit erschwert, daß kaum noch jemand eine „Ehrenrunde“ dreht.

Sitzenbleiber schröpfen den öffentlichen Haushalt, wenn man den Aufwand für ihre längere Verweildauer an Schulen und den Steuerverlust aufgrund ihres verspäteten Berufseinstieges zusammenrechnet, Jahr für Jahr um annähernd zwei Milliarden Euro. Einige Bundesländer haben daher die Notbremse gezogen und das Sitzenbleiben so weit erschwert, daß es kaum noch Jugendliche gibt, die eine „Ehrenrunde“ drehen. Stur auf dem alten rigiden Kurs ist lediglich Bayern geblieben. Es kann daher nicht verwundern, daß in dem soeben von einem Verbraucherportal vorgelegten „Sitzenbleiber-Atlas“ zehn Städte aus dem Freistaat unter den unrühmlichen „Top 15“ zu finden sind. Wenn man im Süden der Republik schon meint, sich diesen Luxus gönnen zu dürfen, sollte man die Kosten fairerweise den Verantwortlichen aufbürden. Sitzenbleiber sind mit einer Geldbuße zu belegen, der den von ihnen angerichteten Schaden abdeckt. Oft werden sie den Betrag weder jetzt noch aus späterem Arbeitseinkommen abstottern  können. Aber es gibt ja immer noch die Möglichkeit, wenigstens Sozialstunden zu leisten.