© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Geheimnisverrat aus Patriotismus
Ehrung: Edward Snowden erhält Bürgerpreis
Daniel Körtel

In Anerkennung seiner Verdienste bei der Enthüllung des globalen Überwachungsnetzwerks der US-Regierung ist Edward Snowden am vergangenen Sonntag in Kassel mit dem „Glas der Vernunft“ ausgezeichnet worden. Der mit 10.000 Euro dotierte Bürgerpreis ehrt Persönlichkeiten, die sich um die Werte der Aufklärung – Vernunft, Toleranz und Transparenz – verdient gemacht haben.

In seiner Laudatio hob der Bestsellerautor und Jura-Professor Bernhard Schlink hervor, daß Snowden richtig gehandelt habe, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Das Ausmaß der zutage getretenen Überwachung sei unvorstellbar und die Befürchtungen des „gläsernen Menschen“ wahr geworden. Mit seinen Bloßstellungen habe Snowden uns eine Lehre erteilt: „Wir sind nicht machtlos gegen ein Überwachungssystem und seine Exzesse.“ Snowden habe für das Wohl seines Landes gehandelt – „nicht als technikbesessener Nerd, sondern als Patriot“.

Dankesrede Snowdens per Live-Schaltung

Heribert Prantl, Journalist der Süddeutschen, verknüpfte in seiner Festrede den Fall Snowden mit der Europa- und Flüchtlingspolitik. Europa sieht er in einem Gärungsprozeß, in dem eine „nationale Front“ gegen das Projekt der Französischen Revolution stehe, das geeinte Europa der Liberalität, so als hätten AfD & Co. den globalen Überwachungsstaat zu verantworten. Prantl gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Preisverleihung der „globalen digitalen Inquisition“ wieder mehr Aufmerksamkeit verschaffe, nachdem das Thema Flüchtlinge alle anderen „aufgefressen“ habe. Snowden beschrieb er als einen „Flüchtling, wie er im Buche steht“, der von den USA verfolgt werde. Snowden habe nach dem Gesetz kriminell gehandelt, „aber wirklich kriminell sind die Zustände, die er aufgedeckt hat“. Wie sein Vorredner Schlink forderte Prantl unter dem lautstarken Beifall des Publikums Regierung und Politik auf, Snowden politisches Asyl zu gewähren.

Der in einer Video-Liveschaltung aus seinem Moskauer Exil auf die Bühnenleinwand projizierte Preisträger sagte in seiner Dankesrede, die wichtigste Lektion aus seinem Fall sei, daß die Angst politisch global geworden sei. Vernunft sei das Gegenmittel zur Angst. In seinem bürgerlichen Ungehorsam gegenüber den Gesetzen seiner Heimat berief sich Snowden auf sein Gewissen: „Damit werden wir nicht zu Anarchisten, sondern Realisten und Humanisten.“