© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Grüße aus San Francisco
Verängstigte Hipster
Elliot Neaman

Die stetig schwindende Anzahl guter Stellen in der Technologiebranche konzentriert sich in der Regel in ausgewählten städtischen Ballungsgebieten und führt dort zur Erhöhung der Lebenskosten, Verdrängung der in weniger lukrativen „traditionellen“ Sektoren beschäftigten Einwohner und Entstehung eines völlig neuen Milieus junger Hipster, die in ständiger Angst um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze leben. 

In den USA ist diese Entwicklung vor allem in Charlotte/North Carolina, im texanischen Austin und den Westküstenmetropolen Seattle und eben San Francisco zu beobachten.

Auf dem Wochenmarkt werden nun exotische Eiskreationen 

feilgeboten.

Konkret ist hier vor allem der ehemals verschlafene „Mission District“ betroffen. Als ich vor zwanzig Jahren dort lebte, war dieses Viertel im Süden von San Francisco vor allem von Hispanoamerikanern und anderen Minderheiten bewohnt. Mieten waren vergleichsweise billig, die Gegend galt als nicht sonderlich sicher, und die meisten Haushalte kämpften mit Armut. 

Abgesehen von einzelnen Graffitisprühereien und Gemälden an Mauern und Häuserwänden, die geradezu als disneyhaft verkitschte Reminiszenzen an die Vergangenheit anmuten, erinnert heute nichts mehr an das damalige Lebensgefühl. 

Wo einst mexikanische Cantinas ihre Kundschaft bewirteten, finden sich heute teure Schickimicki-Cafés, die handgeschöpfte Schokolade und Espresso für zehn Dollar pro Tasse anbieten. Auf dem Wochenmarkt, wo es einst günstiges Obst und Gemüse aus der Umgebung zu kaufen gab, werden nun exotische Eiskreationen, Blumen aus ökologischem Anbau und frischgepreßte Säfte feilgeboten.

Die ehemaligen Einwohner des Mission District haben diese städtische Säuberung ihres Viertels selbstverständlich nicht kampflos hingenommen. Angesichts der sprunghaft angestiegenen Mietpreise blieb vielen von ihnen jedoch keine andere Wahl, als sich eine neue Wohnung in einem anderen Stadtteil zu suchen und den Angehörigen der neuen Elite das Feld zu überlassen, die ihre fetten Silicon-Valley-Gehälter mit der bangen Frage in Empfang nehmen, ob die nächste Welle revolutionärer Technologien sie womöglich bereits auf die Straße spült. 

Daß die Mehrzahl dieser jungen Hoffnungsträger in den Vorwahlen für den 75jährigen Bernie Sanders stimmte, bedarf keiner weiteren Erwähnung.