© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Presse- und Nabelschau
Peter Möller

Durch Selbstkritik fallen Berliner Alphajournalisten wie der Politik-Chef der Bild-Zeitung, Nikolaus Blome, eher selten auf. Schon gar nicht, wenn es um die Berichterstattung über die Flüchtlingskrise geht. Doch am Montag war das anders. Vielleicht lag es daran, daß die Journalisten beim Kongreß des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger in Berlin quasi „unter sich“ waren. Und so sagte ausgerechnet Blome, dessen Blatt sich im vergangenen Jahr an die Spitze der medialen Willkommenseuphorie gesetzt hatte, bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Lügenpresse“ ungewöhnlich kleinlaut: „Am Ende ist man immer schlauer.“ Er räumte rückblickend insbesondere im Zusammenhang mit der Kölner Silvesternacht handwerkliche Fehler ein. Doch es gebe einen Unterschied zwischen Irrtum und Lüge. Absichtlich habe Bild in diesem Zusammenhang nicht gelogen, bekräftigte Blome. „Darauf reagiere ich absolut allergisch.“

Bei so viel unverhoffter journalistischer Selbstkritik hatten der als Kritiker geladene AfD-Vize Alexander Gauland und der Dresdner Pegida-Forscher Werner Patzelt leichtes Spiel. Denn in der Grundannahme, daß das Verhältnis zwischen Medien und Konsumenten schwieriger und das Klima rauher geworden ist, waren sich alle einig. Patzelt versuchte die Kritik an der Berichterstattung vieler Medien mit den politischen Präferenzen der Journalisten zu erklären. Er verwies auf die von Wissenschaftlern ermittelte überproportional hohe Präferenz deutscher Journalisten für Parteien des „linksgrünen Spektrums“. Das bedeutet nicht, schränkte Patzelt ein, daß diese Journalisten alle lügen – aber die politische Präferenz bestimme die Perspektive der Berichterstattung. „In den Medien erscheint etwas anderes als an Stamm- und Eßtischen Thema ist“, verdeutlichte er. Die Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, Miriam Meckel, sprach in diesem Zusammenhang von einer „Repräsentationslücke“. Patzelt kritisierte die verbreitete Abneigung vieler Journalisten, mit ihren Kritikern überhaupt zu sprechen. Mit einem drastischen Beispiel warnte er vor den Folgen: „Wenn man Krebs ignoriert und nicht behandelt, hat man am Ende überall Metastasen.“

Auch Gauland, der den Begriff Lügenpresse vermied und von „Lückenpresse“ sprach, brach eine Lanze für all jene, die  sich in den Medien nicht mehr wiederfinden. „Viele Journalisten waren derart begeistert, daß sie nicht sehen wollten, daß Menschen Furcht haben vor Veränderung von Land und Kultur“, erinnerte er mit Blick auf die Asylkrise. Er wünsche sich mehr Empathie für die Menschen, die Angst hätten. Laut Blome reicht das Problem indes weiter. Denn manche Bürger glaubten den Journalisten sogar das ganz Offensichtliche nicht mehr. „Was machen wir mit Leuten, die nicht glauben, daß zwei plus zwei vier sind, sondern das für eine Verschwörungstheorie halten?“ fragte Blome. 

Ein Problem, für das es dem Chef-redakteus des Kölner Stadt-Anzeigers, Peter Pauls, zufolgr keine einfache Lösung gibt.  „Wir müssen sauber arbeiten, können es aber nicht allen recht machen“, sagte er. Da wollte dann keiner mehr widersprechen.