© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Aufgeschnappt
Proletarier verstehen
Matthias Bäkermann

Trotz des passablen Wahlergebnisses in Berlin schwant der Linkspartei: Bei der Stammklientel schwächeln die Genossen. Die läuft teilweise sogar zur AfD über. In einem Strategiepapier der Rosa-Luxemburg-Stiftung versucht der Bundestagsabgeordnete Jan Korte nun zu ergründen, warum die Entfremdung des Proletariers von den organisierten Genossen eingesetzt hat. „Neuer Aufbruch“ nennt Korte seine vierseitige Analyse in feinstem Parteitagsgeschwurbel, in der er die Linke auffordert, die Wähler „nicht abzuschreiben oder sie gar zu verachten“, weil sie jetzt zur AfD überlaufen. Deshalb gelte es, nicht weiter „Alltagstauglichkeit und Stammtischfähigkeit“ einzubüßen, sondern „eine Stimme zu sein, die ein Gefühl und ein Gespür von der Lebensrealität“ habe, insbesondere jene von prekären Arbeitnehmern mit Abstiegsängsten.  

Ganz volksnah gibt Korte dann ein Beispiel vor, wie er sich künftig einen Stammtischdialog mit dem „Dienstleitungsproletariat“ vorstellt: „Hey! Wir wissen, daß es dich gibt, und wir wissen, wie hart kraß deine Arbeit ist!“ Die „Projektionen“ der „Paketbot*innen“ oder „Zusteller*innen“, da ist der gendersprachbegabte Politikwissenschaftler mit ausschließlich Hörsaal- und Plenarsaalerfahrung  zuversichtlich, werden dann automatisch nach links tendieren.