© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Eine Umfrage in Frankreich ergab, daß 29 Prozent der Wahlberechtigten eine royalistische Kandidatur für das Amt des Präsidenten unterstützen würden, weitere 24 Prozent zögen es in Erwägung. Von den Befragten erklärten 39 Prozent, daß eine Restauration der Monarchie die Einheit der Nation stärkte, und 34 Prozent meinten, daß ein König an der Spitze sicher die Stabilität der Regierung förderte. Unter den Wählern des Front National wird diese Auffassung sogar mehrheitlich vertreten. Der Herzog von Anjou, Louis de Bourbon (Ludwig XIX.), hat sich bisher nicht zu den Ergebnissen geäußert.

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„Pluralismus“ ist nichts als ein Wieselwort. Zwei Merkmale charakterisieren das Wieselwort: Es handelt sich erstens um einen Begriff, den zwar jeder verwendet, aber von dem niemand weiß, was er wirklich bedeuten soll, sobald man ihn zu fassen sucht, entwischt er wie das flinke Tier; es handelt sich zweitens um einen Terminus, der eigentlich nur Hülle ist, ohne Sachgehalt, so wie das Wiesel vom Ei nur die – intakte – Schale zurückläßt, aber den Dotter gefressen hat. Die gegenwärtig so beliebte Methode, dem Feind des großen guten Ganzen vorzuhalten, daß er gegen den „Pluralismus“ sei, operiert mit der Vokabel, die sich irgendwie nach Freiheit, Vielfalt, Toleranz anhört, letztlich nur zu dem Zweck, den anderen die Gedanken-, Meinungs-, Versammlungs-, Demonstrationsfreiheit zu beschneiden, die blaue Ergänzung von tiefrot-rot-grün-gelb-schwarz zu verhindern und keinesfalls zu dulden, daß sich irgend jemand anders den Fleischtöpfen nähert, an denen man bisher so gemütlich saß.

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Natürlich kostet es auch, seine Seele zu behalten.

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„Autoritär“ ist dagegen ein ziemlich präziser Begriff, über das Wesen von „Autorität“ besteht kein Dissens: Das ist das Erreichen oder Erzwingen von Respekt, indem man jemandem „in irgendeiner Weise ‘zu nahe’“ (Friedrich Gogarten) tritt. Der Vorwurf, „autoritär“ zu sein, ist aber seit dem Kulturbruch von ’68 ein schwerwiegender. Deshalb gehört es zum Grundwissen aller deutschen Politologen und ihrer Zöglinge, daß der Weg strikt vom autoritären Charakter via Carl Schmitt und der Rechtfertigung des Staatsnotstandes („Der Führer schützt das Recht“) nach Auschwitz und in den Zweiten Weltkrieg führte. Allerdings: So ganz behaglich ist es den Befürwortern des Antiautoritären nicht mehr, wenn sich etwa Bürgermeister – weil sie die Lektion gelernt haben – in Deeskalation und herrschaftsfreien Diskurs „mit Rechten“ einlassen. Da wird er doch ganz rasch laut, der Ruf nach der Autorität des Staates.

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Merkt euch diese Sätze: „Deutschland wird Deutschland bleiben. – Mit allem, was uns daran lieb und teuer ist.“ (Angela Merkel)

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Der Gang der Dinge: 19. April, die amerikanische Supermarktkette Target erklärt, daß in Zukunft die Aufenthaltsräume und Toiletten der Mitarbeiter wie der Gäste von jedem nach gefühlter Geschlechtszugehörigkeit genutzt werden dürften; 20. April, die American Family Association (AFA) ruft zum Boykott von Target auf; eine Unterschriftenkampagne findet mehr als 1,4 Millionen Unterstützer; 14. Juli, die Behörden in Idaho nehmen eine Transgender-Frau fest, nachdem diese in einer Toilette für Frauen Aufnahmen von einer Frau gemacht hatte; 17. August, Target erklärt, daß man 20 Millionen US-Dollar investieren werde, um abschließbare Toiletten einzurichten, in denen Mitarbeiter und Kunden „ungestört“ seien; kurz zuvor hatte die Firmenleitung mitgeteilt, daß der Umsatz im zweiten Trimester um 7,2 Prozent eingebrochen sei; 27. August, zum erstenmal in der Geschichte des Unternehmens wird den Kunden ein 10-Prozent-Rabatt angeboten.

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Der „Islamische Staat“ (IS) bringt eine neue Zeitschrift auf den Markt, mit Texten in englischer, französischer, deutscher, türkischer und indonesischer Sprache. Sie enthält nützliche Tips für den angehenden Dschihadisten, der gar nicht in den Nahen Osten gehen muß, sondern die Bekämpfung der Ungläubigen auch am jeweiligen Ort und dadurch betreiben kann, daß er dem Nachbarn die Lebensmittel vergiftet oder unvorsichtige Verkehrsteilnehmer mit dem Pkw überfährt. Falls jemand Zweifel am Endziel hat, das hinter solchen Bemühungen steht: der Titel der Zeitschrift lautet Rumiyah, arabisch für „Rom“.

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Das Wort „Pluralismus“ kommt im Grundgesetz nicht vor, das Wort „liberal“ übrigens auch nicht.

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Bildungsbericht in loser Folge XCII: Einzig bemerkenswert an dem Ergebnis einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung, der zufolge drei Viertel aller deutschen Abiturienten studierunfähig sind (und auch noch beleidigt, wenn man sie darauf hinweist), ist deren Folgenlosigkeit. – Niemanden interessiert das wirklich.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 7. Oktober in der JF-Ausgabe 41/16.