© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

„Das macht Mut“
Marsch für das Leben: Mehrere tausend Menschen demonstrierten in Berlin für einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens / Polizei hielt linke Störer in Schach
Lukas Steinwandter

In der Ferne sind Trillerpfeifen und Trommelschläge zu hören. Minute um Minute sammeln sich mehr Menschen. Es wird eng vor dem Reichstag in Berlin. Die meisten der an diesem Samstag Anwesenden tragen grüne Schilder oder halten Luftballons. Darauf zu lesen ist „Jedes Kind will Leben“ oder „‘Echte Männer’ stehen zu ihrem Kind“. 

Ein Junge läuft mit einem herzförmigen Ballon umher: „Jedes Kind ist gleich wertvoll“. Der Bundesverband Lebensrecht hat zum zwölften „Marsch für das Leben“ gerufen. Bei Beginn der Kundgebung werden es 7.500 (laut Polizei 6.000) sein, die im Regierungsviertel ein Zeichen setzen wollen „für ein freies Europa und ein freies Deutschland“. Eines ohne „Euthanasie“, mit Würde und in Frieden, wie der Verbandsvorsitzende Martin Lohmann in der Auftaktrede fordert. Wie jedes Jahr flankieren Dutzende Polizeibeamte den Demonstrationszug. „Bitte lassen Sie sich nicht provozieren“, appelliert Lohmann kurz vor Beginn des Spaziergangs an die Teilnehmer. Eine bittere Notwendigkeit, wie sich schon wenige Minuten später herausstellt. Behelmte Einsatzpolizisten stürmen an den Demonstranten vorbei in Richtung S-Bahnhof Friedrichstraße. Von einer Seitenstraße aus versuchen Gegendemonstranten, zumeist aus der linken Szene, zu den Lebensschützern vorzudringen. „Die Polizei ist diesmal besser vorbereitet“, sagt ein Teilnehmer, der schon mehrmals am Marsch teilgenommen hat. „Vergangenes Jahr mußten wir zwei Stunden stehen bleiben, ehe es weiterging“. 

Während des gesamten, rund fünf Kilometer langen Spaziergangs kommt die Polizei nicht zur Ruhe. Laut ihrer Auskunft sind es rund 1.500 Personen, die sich an verschiedenen Gegenkundgebungen beteiligen. Immer wieder provozieren die Störer mit obszönen Rufen und Plakaten. „Eure Kinder werden so wie wir“, „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ oder „Kondome, Spirale, Linksradikale“, schallt es aus Lautsprechern. Auf Spruchbändern ist zu lesen: „Christlichen Fundamentalismus abtreiben“, „Leben wird überbewertet“. Die in Deutschland stetig voranschreitende „Christophobie“, wie der evangelische Pfarrer Werner Neuer im ökumenischen Abschlußgottesdienst später sagen wird. 

Es bleibt an diesem Tag aber nicht nur bei Verbalattacken. Ein mit einem Fotoapparat als Journalist getarnter Mann versucht die Berliner Europaabgeordnete Beatrix von Storch (AfD) umzustoßen. Es bleibt beim Versuch. Bevor er von Polizisten abgeführt wird, spuckt er der Politikerin ins Gesicht. „Eine traurige Attacke, erbärmlich für den Angreifer. Wer sich mit der AfD auseinandersetzen möchte, kann gerne mit uns reden. Aber wer spuckt, diskreditiert sich selbst“, kommentiert die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende gegenüber der JUNGEN FREIHEIT den Angriff. 32 Personalien von Gegendemonstranten überprüft die Polizei bis zum Ende der Kundgebung. Einige von ihnen haben Lebensschützer und Beamte mit Kunstblut und stinkenden Flüssigkeiten übergossen. 

Diesen „bösen Gegenwind“ gelte es auszuhalten, sagt Martin Lohmann der JF. Auch daß sich die evangelische Kirche von dem „Marsch“ distanziert hat, bekümmert den Publizisten nicht, kam neben vier anderen Bischöfen doch erstmals auch der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch. Das Thema Lebensschutz erreiche immer mehr Menschen, unterstreicht Lohmann. Vor allem Jugendliche seien aufgeschlossen und sensibel. „In diesem Jahr waren auffällig viele Teilnehmer unter 25 Jahre dabei. Das macht Mut.“