© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Lesereinspruch

Sicher instinktlos

Zu: „Rechte Spontis kapern das Brandenburger Tor / Der unerträgliche freie Diskurs“ von Dieter Stein & „Die Jungen auf dem Tore“ von Christian Vollradt (JF 36/16)

Ich wär’ so gern identitär, dann wär’ Kritik nicht mehr so schwer.“ So oder ähnlich erscheint die Logik der sogenannten „Identitären Bewegung“, die Sie hier leider vollkommen kritiklos hochleben lassen. Denn es ist ebenso idiotisch wie instinktlos, ausgerechnet am Brandenburger Tor, Symbol der Deutschen Einheit und zugleich Ort jahrzehntelanger unmenschlicher Trennung, für eine neue Mauer zu demonstrieren. 

Zudem ist das wirklich einfältige Motto „Sichere Grenzen – sichere Zukunft“ direkt anschlußfähig an die Ulbricht-Jünger und Altstalinisten, die erst jüngst am 13. August am selben Ort den Bau des „Antifaschistischen Schutzwalls“ feierten und als „Friedensgrenze“ lobten, und zwar teilweise mit der exakt gleichen Formulierung wie jener auf dem Banner der Identitären. So wie da wurden auch jetzt die Opfer des DDR-Grenzregimes aufs neue verhöhnt. 

Eine „identitäre“ Bewegung, die so geschichtsvergessen ist, kann man – finde ich jedenfalls – getrost vergessen.

Wolfgang H. Staats, Berlin