© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Ehe und Familie in der EU: Versuche ihrer Umdeutung und Widerstand dagegen
Unter Dauerfeuer
Hedwig v. Beverfoerde

In dieser Zeit allgegenwärtiger Entgrenzung und Dekonstruktion stehen zwei Basis-Institutionen unter Dauerfeuer: die Ehe und die Familie. Dabei tobt der Kampf nicht zuletzt um die Deutungshoheit der Begriffe.

Immer mehr Länder der Europäischen Union haben die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ radikal umdefiniert – zum Beispiel Frankreich, Spanien, Belgien und zuletzt Italien. Auf Betreiben von international operierenden Gender- und Homosexuellen-Lobbygruppen arbeiten Regierungen und Parlamente daran, die Definitionen von Ehe und Familie auszuweiten. Dies geschieht nicht selten in überfallartiger Weise, ohne daß die Bürger zuvor nach ihrer Meinung gefragt werden. Auch Lebensgemeinschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern, mit Kindern, die gegen Geld von Leihmüttern ausgetragen wurden, alles soll sich Ehe und Familie nennen können.

Daß solche Bestrebungen jedoch keineswegs wie eine naturgewaltige Entwicklung hingenommen werden müssen, zeigt der Blick in den Südosten der EU.

Während zum Beispiel in Schweden, Frankreich und Spanien Homosexuelle miteinander eine zivilrechtliche „Ehe“ eingehen können und dann Kinder adoptieren dürfen, haben Bürgerinitiativen in Kroatien (2013) und Rumänien (Juli 2016) Volksreferenden erstritten, mit dem Ziel, die Definition der Ehe als Lebensbund zwischen Mann und Frau in der Verfassung zu verankern. In Kroatien ist dies mit einer überwältigenden Zweidrittelmehrheit der Bürger bereits geschehen, in Rumänien steht es bevor. In Slowenien mußte im Dezember 2015 sogar ein Gesetz zurückgezogen werden, mit dem die „Homo-Ehe“ eingeführt werden sollte.

Auch in Deutschland konnte bis heute eine „Öffnung“ der Ehe für homosexuelle Partnerschaften verhindert werden.

Allerdings haben die Gender- und Homo-Lobbygruppen mächtige Verbündete auch in den Organen der Europäischen Union, wo einflußreiche Personen sitzen, die Ehe und Familie aushöhlen wollen. Da Rechtsfragen zu Ehe und Familie nach dem Subsidiaritätsprinzip in der EU aber allein im Kompetenzbereich der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten liegen, kann die EU auf Länder mit traditionellem Ehe- und Familienbegriff keinen direkten Einfluß ausüben. Also agiert sie indirekt. In immer mehr Rechtsakten der Europäischen Union (Verordnungen, Richtlinien, Empfehlungen etc.) wird auch auf Ehe und Familie Bezug genommen, und dabei fällt auf, daß diese jeweils einzeln und voneinander abweichend definiert werden. Beispielsweise werden in der EU-Freizügigkeits-Richtlinie 2004/38/EC, in der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EC und in der Opferschutz-Richtlinie für Opfer von Straftaten 2012/29/EU jeweils unterschiedliche Personen als „Familienmitglieder“ aufgeführt: einmal werden neben Ehepartnern auch die Partner einer Eingetragenen Partnerschaft genannt, im zweiten Fall nicht. Dafür wird dort Bezug auf polygame „Ehe“-Partner genommen, von denen nur einer als Ehepartner anerkannt wird. Im dritten Fall wird zu den Familienmitgliedern sogar eine Person hinzugezählt, „mit der das Opfer in einer intimen Beziehung steht“.

Da auf EU-Ebene keine Klarheit darüber herrscht, was genau Ehe und was Familie ist, wird es zum einen immer schwerer, die europäischen Rechtsakte zu verstehen und anzuwenden, zum anderen erzeugt diese Unklarheit Druck, den Begriff zu erweitern.

Summa summarum: ein unglaubliches Durcheinander in grundlegenden Rechtsbereichen! Man weiß nicht mehr, wovon die Rede ist. Da aber keine Klarheit darüber herrscht, was genau Ehe und was Familie ist, wird es zum einen immer schwerer, die europäischen Rechtsakte zu verstehen und anzuwenden, zum anderen erzeugt diese Unklarheit Druck hin zur Begriffserweiterung und untergräbt damit den Schutz von Ehe und Familie.

Im Sommer 2015 hielt der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, auf einer Gala-Veranstaltung der schwul-lesbischen Interessenvertretung „ILGA Europa“ in Brüssel die Festrede. Er brachte darin seine Freude über die Einführung der „Homo-Ehe“ in Irland zum Ausdruck und sprach sich für ein allgemeines Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aus. Wörtlich sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission:

„Die EU-Kommission wird für LGBTI-Rechte in allen internationalen Gremien global kämpfen: in den Vereinten Nationen, der OSZE, im Europarat und überall dort, wo LGBTI-Rechte noch nicht akzeptiert sind.“ Und weiter: „Die EU-Kommission sollte darauf hinwirken, daß alle EU-Mitgliedsstaaten die Homo-Ehe vorbehaltlos anerkennen.“

Hebel dafür soll insbesondere das innerhalb der EU geltende Recht auf Freizügigkeit sein. Danach dürfen Bürger eines EU-Landes in einem anderen EU-Land Arbeit suchen, Arbeit annehmen und dann dort mit Ehepartner und Familie Wohnsitz nehmen. In Ländern wie Deutschland, in denen die Bedeutung von Ehe und Familie gewahrt ist als Ehe zwischen einem Mann und einer Frau mit ihren Kindern, werden in anderen Ländern geschlossene „Homo-Ehen“ nicht als Ehe und von Homo-„Ehe“-Paaren adoptierte Kinder nicht als eigene Kinder anerkannt. Homo-„Ehe“-Partner mit Adoptivkindern haben bei uns also kein Nachzugsrecht im Rahmen des EU-Freizügigkeitsabkommens.

Genau an dieser Stelle setzen Timmermans und die LSBTTIQ-Lobby an: Zunächst fordern sie im Namen der Anti-Diskriminierung für alle Länder die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlich definierten „Ehe“, damit „Homo-Familien“ überall das Recht auf Nachzug bekommen. Im nächsten Schritt müßten dann Homopaare aus Deutschland, die zum Beispiel in Spanien die „Ehe“ schließen, auch in Deutschland als Ehepaar anerkannt werden. Dies wiederum hätte zur Folge, daß Deutschland gezwungen wäre, die zivile Ehe allgemein für homosexuelle Paare zu „öffnen“, da nicht zweierlei Rechtszustände bei gleichen Voraussetzungen nebeneinander bestehen können. Auf diese Weise wäre in kürzester Zeit das Ziel erreicht, Ehe und Familie in allen EU-Ländern radikal neu zu definieren.

Inzwischen interessiert sich aber noch eine ganz andere Lobbygruppe für die „Öffnung“ der Ehe und beginnt Druck zu machen. Die Union der islamischen Gemeinden und Organisationen in Italien (UCOII) hat vor kurzem die Anerkennung der Vielehe gefordert. Deren Vertreter Hamza Piccardo sagte anläßlich der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in Italien: „Wenn es hier um Zivilrechte geht, dann ist Polygamie ein Zivilrecht. Muslime sind mit homosexuellen Lebenspartnerschaften nicht einverstanden, und trotzdem müssen sie ein System akzeptieren, das sie erlaubt.“

Durch den sprunghaften Anstieg des muslimischen Anteils der Bevölkerung in der Europäischen Union aufgrund der Massenimmigration der letzten Monate ist absehbar, daß öffentliche Forderungen nach Anerkennung der islamischen Vielehe, wie auch der pädophilen Kinderehe, in zahlreichen EU-Staaten schon bald immer lauter vorgetragen werden.

Wer die Ehe umdefiniert und sie für eine bestimmte Interessengruppe „öffnet“, kann sie anderen nicht verwehren. Homo-Verbände fungieren daher als Speerspitze für den fundamentalistischen Islam, in dem ein Mann bis zu vier Ehefrauen haben darf.

Klar ist: Wer die Ehe umdefiniert und den Ehe-Begriff institutionell für eine bestimmte Interessengruppe „öffnet“, kann ihn anderen Gruppen nicht verwehren. Homosexuellen-Verbände, die die Ehe für zwei gleichgeschlechtliche Partner fordern, fungieren daher – ob sie wollen oder nicht – als Speerspitze für den fundamentalistischen Islam, in dem ein Mann bis zu vier „Ehe“-Frauen haben darf, und diese auch weit jünger als 16 Jahre alt sein dürfen. Welche grundstürzenden Auswirkungen derlei Poly-„Familien“ neben ausufernden staatlichen Versorgungsansprüchen auf unsere gesamte Kultur hätten, läßt sich noch gar nicht ausmalen.

Um diese Gefahr auf EU-Ebene zu bannen, braucht das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union dringend eine präzise Begriffsbestimmung von Ehe und Familie, die gleichzeitig die nationalen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten achtet. Diesem Ziel widmet sich seit einigen Monaten ein Bürgerbegehren, die Europäische Bürgerinitiative „Mum Dad & Kids / Vater, Mutter, Kind“, das von engagierten Bürgern mehrerer EU-Mitgliedsländer auf den Weg gebracht worden ist.

Das Bürgerbegehren „Vater, Mutter, Kind“, das für Deutschland von der Verfasserin dieses Beitrags koordiniert wird, fordert eine EU-Verordnung, die die Begriffe Ehe und Familie für das gesamte EU-Gemeinschaftsrecht folgendermaßen definiert: „Die Ehe ist der Lebensbund zwischen einem Mann und einer Frau, und die Familie gründet sich auf Ehe und/oder Abstammung.“

Diese Definition entspricht als kleinster gemeinsamer Nenner der Tatsache, daß trotz ausufernder Begriffsdefinitionen in verschiedenen Ländern der EU immer noch universal anerkannt ist, daß ein Mann und eine Frau eine Ehe eingehen können, und daß ein Ehepaar mit seinen Kindern eine Familie ist. Indem die Europäische Bürgerinitiative „Mum Dad & Kids / Vater, Mutter, Kind“ die EU auf diese universal anerkannte Begrifflichkeit festlegt, vereitelt sie die sonst zu erwartenden Versuche, die Mitgliedsstaaten gegen ihren Willen zur Anerkennung anderer Formen von Ehe und Familie zu zwingen.

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ist ein relativ junges, aber offizielles Instrument für die Bürger der EU-Staaten, ihre politischen Forderungen auf die Tagesordnung der EU zu setzen, indem sie der Europäischen Kommission eine Rechtsverordnung vorschlägt. Dafür müssen die Initiatoren der EBI innerhalb eines Jahres in mindestens sieben EU-Ländern insgesamt mindestens eine Million Unterschriften sammeln. Deutschland muß als Mindestzahl 75.000 Unterschriften beisteuern.

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird der Vorschlag für die Rechtsverordnung der Europäischen Kommission vorgelegt. Diese muß den Vorschlag dann prüfen. Wenn es auch keine Garantie für die Annahme gibt, ist eine erfolgreiche EBI eine starke politische Willensbekundung der Bürger nicht nur in Richtung EU, sondern auch in Richtung Mitgliedsstaaten, und beeinflußt die Politik.

So sehen die Initiatoren von „Mum, Dad & Kids / Vater, Mutter, Kind“ eines der wesentlichen Ziele des Bürgerbegehrens darin, den EU-Institutionen und der Öffentlichkeit unüberhörbar klarzumachen, daß von Brüssel aus dekretierte gesellschaftspolitische Experimente, wie sie zum Beispiel von EU-Vizepräsident Frans Timmermans vorangetrieben werden, von den Bürgern nicht länger stillschweigend geduldet werden.






Hedwig Freifrau v. Beverfoerde, Jahrgang 1963, ist diplomierte Betriebswirtin und Mutter dreier Kinder. Sie engagiert sich in verschiedenen konservativen und katholischen Bürgerinitiativen und Netzwerken. Seit 2014 koordiniert sie das „Aktionsbündnis für Ehe und Familie – Demo für alle“, seit diesem Jahr ist sie Deutschland-Koordinatorin der Europäischen Bürgerinitiative „Mum Dad & Kids / Vater, Mutter, Kind“.

 www.vatermutterkind.eu

Foto: Homosexuelles Männerpaar mit einem Baby: Was ist eine Ehe? Und was eine Familie? Was in der christlichen Welt immer eindeutig gewesen ist, haben einflußreiche Kräfte auf der Ebene der EU bewußt verunklart