© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Die Genossen verlassen
Frankreich: Jungstar Macron schlachtete manch heilige Kuh der Linken, nun marschiert er solo
Jürgen Liminski

Der Rücktritt des Ministers für Wirtschaft, Energie und Digitalisierung, Emmanuel Macron, Star der Regierung Hollande/Valls, belebt das Schauspiel um Macht und Intrigen auf der Bühne von Paris. Er wolle frei sein und selbstverantwortlich für sein politisches Handeln, so begründet der 38jährige Ex-Minister seinen Rücktritt von einem Amt, das er erst vor zwei Jahren antrat. Sein Vorgänger, Arnaud Montebourg, war ebenfalls zurückgetreten. 

Beide, Macron und Montebourg, haben Ambitionen auf das höchste Staatsamt und nehmen den jetzigen Amtsinhaber, Staatspräsident François Hollande, ideologisch in die Zange, der eine als Sozialist von linksaußen, der andere als Sozialdemokrat aus der Mitte. Von Bercy, dem Sitz des Wirtschaftsministeriums, dürften bis zu den Präsidentschaftswahlen im Mai nächsten Jahres keine Impulse mehr ausgehen.

 Nachfolger Macrons ist Finanzminister Michel Sapin, der nun das Superministerium leitet und alle Hände voll zu tun hat, um das Budget trotz massiver Wahlgeschenke im Rahmen zu halten.

Macron hält sich mit Wahlambitionen noch zurück. Dies sei nicht die Zeit für Personalfragen. Zuerst müsse seine Bewegung ein kohärentes Programm erarbeiten. Ein erster Schritt dazu wird Ende September erfolgen, dann will er eine „umfassende Diagnose der Lage des Landes“ vorlegen. Seine Bewegung „En Marche“ („Los geht’s“), war Anfang April gestartet und hat seither Anhänger gesammelt und Netzwerke gebildet. Jetzt sammelt ihr Chef erst mal Geld und wird sich am Donnerstag in London zu diesem Zweck zu einem Abendessen mit ausgewählten Bankern und Geschäftsleuten treffen. Macron selbst kommt aus dieser Branche. Der Absolvent der Eliteschule ENA hatte bei Rothschild seine Karriere begonnen. 

„En Marche“ lebt von der Popularität des jungen Politikers, der mit unkonventionellen Äußerungen und Vorschlägen Tabuthemen der Linken aufgespießt und in Frage gestellt hatte, zum Beispiel die 35-Stunden-Woche, die Vermögenssteuer, die Sonntagsarbeit, das Statut der Staatsbeamten. 

Manches konnte nur teilweise gegen die linke Mehrheit im Parlament durchgeboxt werden, aber daß er überhaupt diese heiligen Kühe der Linken öffentlich berührt und zum Teil geschlachtet hat, machte ihn in kürzester Zeit zum populärsten Politiker der Linken und der Regierung. Diese Popularität trug ihm den Neid der Kollegen, insbesondere des Premierministers Manuel Valls ein. Deshalb ist im linken Lager auch so etwas wie Erleichterung zu spüren, daß Macron endlich die warme Stube der Genossen verlassen hat.