© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Ein Jahr Willkommensputsch
„Wir schaffen das“: Fremdheit im eigenen Land und eine zerfallende Rechtsordnung
Michael Paulwitz

Ein Jahr ist vergangen, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel Massen von einreisewilligen Ausländern vom Budapester Ostbahnhof nach Deutschland hineinließ. Für die Eigenmächtigkeit, die einem Putsch gleicht, steht ihre Parole „Wir schaffen das!“ Unser Land ist seither nicht mehr wiederzuerkennen. 

Asylsystem  am Ende

Am Anfang des Desasters steht der verschleiernde Begriff „Flüchtling“, mit dem spätestens seit dem vergangenen Jahr politisch Verfolgte, Kriegsflüchtlinge und illegale Einwanderer aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen unterschiedslos bezeichnet werden. Die Überforderung und der partielle Zusammenbruch des Asylsystems sind nicht nur am Antragsrückstau abzulesen. 2015 und im ersten Halbjahr 2016 gab es rund 1,6 Millionen Grenzübertritte von Asylbewerbern nach Deutschland. Mehr als 700.000 haben noch keinen Antrag gestellt; zusammen mit den noch nicht bearbeiteten Anträgen aus diesen und den Vorjahren errechnete Thilo Sarrazin kürzlich einen Bearbeitungsrückstau von 1,2 Millionen. Abschiebungen finden nur bei einem Bruchteil der Abgelehnten statt: Wer sich widersetzt, untertaucht, seine Dokumente „verliert“ oder durch die Instanzen prozessiert, kann der Aufenthaltsbeendigung leicht entgehen. 

Das deutsche Asylsystem ist zur Farce geworden: Statt nur Verfolgten Schutz zu gewähren, dient es als Einfallstor für illegale Masseneinwanderung – wer es nach Deutschland schafft, kann bleiben.





Milliardenausgaben statt „Wirtschaftswunder“

Trotz intensiver Propaganda von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden ist kaum ein Flüchtling in der Lage, seinen Lebensunterhalt auf absehbare Zeit selbst zu verdienen. Das von Wirtschaftsbossen wie Daimler-Chef Dieter Zetsche verheißene „Wirtschaftswunder“ bleibt aus: Die Dax-Konzerne haben nur ein paar Dutzend eingestellt, die Zahl der Berufs-, Ausbildungs- oder gar Hochschul-Einsteiger bleibt kaum meßbar.

Kein Wunder: Fachleute wie der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung, Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen, schätzen, daß zwei Drittel der Asyl-Immigranten totale oder funktionale Analphabeten sind; ein ebenso großer Anteil der Asylbewerber aus den Hauptherkunftsländern hat keinerlei berufsbildenden Abschluß. Frustrierte ehrenamtliche Helfer berichten von geringer Motivation und Leistungsbereitschaft.

Andererseits fallen für Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung, für Anwälte, Dolmetscher, Sozialarbeiter, Sprach- und Integrationskurse Milliardenkosten an, die nirgends vollständig erfaßt werden; bis zu 55 Milliarden jährlich schätzte zum Jahreswechsel das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Hunderttausende bisherige Asylbewerber werden 2017 Anspruch auf Leistungen aus dem Hartz-IV-Gesetz und damit auch aus der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Der Asylansturm hat eine massive Umverteilung zu Lasten des produktiven Hauptteils der Bevölkerung in Gang gesetzt.





Organisierter Rechtsbruch als neuer Normalzustand

Der organisierte und dauerhafte Rechtsbruch, der bereits seit den Euro-„Rettungen“ Regierungsalltag ist, hat seit Merkels „Wir schaffen das“-Coup chaotische Ausmaße angenommen. Praktisch alle Asyl-Immigranten, die sich von Merkel-„Selfies“ und „Willkommenskultur“ eingeladen fühlten, sind nach Artikel 16a Grundgesetz bei uns von vornherein nicht asylberechtigt, da sie über sichere Drittstaaten eingereist waren. Die faktische Nichtanwendung und einseitige teilweise Außerkraftsetzung des Dublin-Verfahrens verstößt laufend gegen geltendes europäisches Recht.

Eine „Politik der Einwanderung ohne Obergrenzen“ ist für den Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil „das Prinzip der Nationalstaatlichkeit der verfassungsrechtliche Rahmen“ der Migrationspolitik ist: „Die Regierung darf nicht die Identität des Volkes, dem sie ihre Legitimation verdankt, strukturell verändern. […] Indem die Bundeskanzlerin eine Entscheidung trifft, die sich auf die Identität des Volkes und auf den Charakter des Staates als des Nationalstaats dieses Volkes gravierend auswirkt, ohne das Volk zu fragen, macht sie sich selbst zum Souverän. Das ist mit dem Prinzip der Volkssouveränität nicht vereinbar.“ Man könnte auch sagen: ein Putsch.





Weniger öffentliche Sicherheit, mehr Terrorgefahr

Wo Grenzen nicht kontrolliert werden, sind auch Kriminellen und Terroristen Tür und Tor geöffnet. Statistiker mögen noch so sehr die gestiegene Kriminalität kleinrechnen, Polizeibeamte angewiesen werden, Straftaten von Asylbewerbern nicht an die große Glocke zu hängen oder gar nicht erst zu verfolgen – für die Bürger ist der Verlust an öffentlicher Sicherheit Tatsache.

Das gilt keineswegs nur für die Umgebung von Asyl-Großunterkünften, vielerorts Kriminalitätsbrennpunkte mit täglichen Polizeieinsätzen. Seit der Silvesternacht ist auch sexuelle Belästigung auf Straßen, Plätzen und in Schwimmbädern als Alltags- und Massenphänomen ständig im öffentlichen Bewußtsein.

Bereits bei den Anschlägen in Paris im November 2015 und Brüssel im März dieses Jahres führten Spuren des Terrors auf die Balkanroute und in deutsche Asylunterkünfte zurück. Mit den Anschlägen von Würzburg und Ansbach im Juli ist der importierte Islam-Terror auch in Deutschland angekommen. Mehr Überwachung und mehr Straßen- und Stadtviertel, die man besser meidet, weniger Freiheit und Sicherheit im Alltag sind die Kehrseite der „Willkommenskultur“.





Transformation bis in den letzten Winkel

Auch in den kleinsten Städten und beschaulichsten Dörfern verändert der Asylansturm das Land: Unterbringungsmöglichkeiten und Infrastruktur für die Aufnahme müssen geschaffen werden, Schulen müssen neue Schüler ohne Vor- und Deutschkenntnisse aufnehmen, Schulklassen und Sportvereine über lange Zeiträume auf ihre zu Notunterkünften zweckentfremdeten Turnhallen verzichten, Alteingesessene werden mit fremden Sitten und Gebräuchen konfrontiert, die Bevölkerungszusammensetzung mancherorts auf den Kopf gestellt. Geringverdiener konkurrieren mit Neueinwanderern, hinter denen eine zahlungskräftige steuerfinanzierte Asylindustrie steht, um knappen Wohnraum. Staat und Gesellschaft werden zunehmend an den Notwendigkeiten der Massenzuwanderung ausgerichtet.

Die Wohnbevölkerung Deutschlands ist 2015 durch den Netto-Zuzug von mehr als einer Million ausländischer Staatsangehöriger absolut um fast eine Million gestiegen. Noch brisanter wird die Relation, berücksichtigt man den hohen Anteil junger Männer zwischen 16 und 30 Jahren an den Asyl-Immigranten, die auf gleichaltrige Kohorten treffen, die selbst nur wenige Millionen zählen und bereits einen hohen Einwandereranteil aufweisen. Im importierten Überschuß von Männern und einem hohen Anteil von Nichteuropäern in der Generation, die schon bald das Gesicht des Landes prägen wird, steckt sozialer und demographischer Sprengstoff.





Islamisierung und Christenverfolgung

Die Asyl-Zuwanderung erfolgt vor allem aus islamischen Ländern. Eine fünf- oder gar sechsstellige Anzahl von Moslems ist binnen kurzer Zeit nach Deutschland gelangt. Das Recht auf Familiennachzug wird diesen Zustrom noch vervielfachen – erst recht, wenn sich die EU-Kommission mit der weiteren Ausweitung des Familienbegriffs durchsetzt.

Muslimische Parallelgesellschaften weiten sich aus, neue bilden sich. So entsteht eine kritische Masse, die es Islam-Lobbyisten erlaubt, ihre Forderungen zur allmählichen Islamisierung der deutschen Gesellschaft immer höher zu schrauben.

Asylunterkünfte sind zu Laboren der Islamisierung geworden: Christliche Minderheiten unter den Asylbewerbern müssen nicht nur im Ramadan mitfasten, sie sehen sich häufig Anfeindungen, Bedrohungen, handfester Gewalt und regelrechter Verfolgung durch muslimische Mitbewohner oder Wachleute ausgesetzt. Juden- und Christenhaß gehören zum geistigen Handgepäck nicht weniger muslimischer Asyl-Immigranten.

Politische Burkaverbots-Diskussionen, die sich gegen eine extreme Erscheinungsform der Islamisierung richten, dienen der Beschwichtigung; das Unbehagen über die wachsende Präsenz des Islam im öffentlichen Raum können sie nicht beseitigen.




Zensur, Gesinnungsterror und geistiger Bürgerkrieg

Die Euphorie ist verflogen, die Probleme unübersehbar – trotzdem weigert sich die Kanzlerin, ihre Politik der offenen Grenzen aufzugeben. Immer breitere Bevölkerungskreise bekommen den Widerspruch zwischen Propaganda und Realität aus eigener Erfahrung zu spüren.

Um die wachsende Kritik ignorieren zu können, muß sie kriminalisiert und geächtet werden. Politik und Mainstreammedien, besonders die weitgehend zum Propagandalautsprecher verkommenen öffentlich-rechtlichen Sender, bilden dabei eine unheilvolle Allianz. Sprachregelungen in Zeitungen und Nachrichtenagenturen verwandeln Asylkritiker automatisch in „Fremdenfeinde“, der „besorgte Bürger“ ist Schimpfwort und „Nazi“-Synonym zugleich geworden.

Regierungsprogramme „gegen Rechts“ werden ausgeweitet, der Bundesjustizminister errichtet am Rechtsstaat vorbei eine Zensurinstanz gegen „Haßkommentare“ im Netz, die sich einseitig gegen asylkritische Stimmen richtet. Linksextremisten dürfen sich ermuntert fühlen. Anschläge gegen asylkritische Oppositionelle, vor allem gegen Kandidaten und Politiker der AfD und ihre Wohnungen, Büros oder Fahrzeuge, häufen sich. Bei den Ausgegrenzten wächst die Verbitterung. Das Land ist tief gespalten – durch eine politisch-mediale Klasse, die zur Verteidigung der „Wir schaffen das“-Ideologie einem Teil des Volkes den geistigen Bürgerkrieg erklärt hat und dabei auch vor quasi-totalitären Methoden nicht mehr zurückschreckt.





Deutschland isoliert – Europa gespalten

Das Dublin-System war schon vor dem Merkel-Alleingang beschädigt: Staaten an den EU-Außengrenzen wie Italien oder Griechenland haben illegale Einwanderer vielfach schlicht nach Deutschland durchgereicht, die Asyllobby in Deutschland hat fällige Abschiebungen in die Erstaufnahmeländer reihenweise verhindert. Seit dem 5. September gilt vollends das Prinzip: Jeder ist sich selbst der Nächste. Wer sich, wie Ungarn, an die noch geltenden Regeln hält und illegale Einwanderung verhindert, wurde von deutschen Politikern und Medien verunglimpft. Deutschland lehnt als Außenseiter Europas Grenzschließungen ab, profitiert aber gern von den Grenzschließungen anderer.

Mit dieser Doppelmoral hat die Kanzlerin Europa gespalten. Der Versuch, über die EU eine Verteilung der in Marsch gesetzten Einwandererströme auf alle Mitgliedstaaten zu erzwingen, ist ein Flop. Die Verteilung will außer der Bundesregierung in Europa niemand. Großbritannien hat das Asyl-Chaos in den „Brexit“ getrieben, die Osteuropäer lehnen – Gesellschaftszerfall und Terrorgefahr in Frankreich, Belgien und Deutschland vor Augen – jede oktroyierte muslimische Einwanderung strikt ab. Die jüngste Betteltour der Kanzlerin durch die Visegrád-Staaten, bei der ihr höflich-irritierte Ablehnung in den Staatskanzleien und offene Anfeindung auf der Straße entgegenschlugen, war ein Gradmesser der Isolation Deutschlands und seiner Kanzlerin in Europa.