© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Warum viele Neocons zu Clinton übergelaufen sind
Das Ende der Gewißheiten
Thomas Kirchner

Traditionell stehen im US-Präsidentschaftswahlkampf Rüstungsindustrie und Kapital auf seiten der Republikaner, während Demokraten von Gesundheitsbranche oder Technologiefirmen gestützt werden. Aber nicht immer: Computerhersteller Michael Dell beispielsweise ist Förderer konservativer Denkfabriken wie des American Enterprise Institute, und Ex-Goldman-Sachs-Chef Robert Rubin forcierte unter Bill Clinton die Deregulierung der Finanzbranche.

Doch Donald Trump wirbelt alte Faustregeln durcheinander. Grob gilt: Wegen der versprochenen Steuersenkungen wird er Subventionen abbauen müssen. In der Rüstungsbranche sind die Verwerfungen am Größten. Trumps rhetorische Abkehr vom Konfrontationskurs mit Rußland eliminiert ein Feindbild, das sich zur Rechtfertigung milliardenschwerer Militärausgaben bewährt hat. Kein Wunder, daß viele Neocons zu Clinton überlaufen. Trump dürfte die unter Obama begonnenen Kürzungen im Wehretat fortführen, Aktien in diesem Sektor sollten nur unter Clinton gut laufen.

Auch in der Energiebranche hängen die Aussichten vom Wahlausgang ab. Alternative Energien werden es unter Trump schwer haben. Öl, Gas und Kohle unterstützen Trump in der Erwartung, daß steigende Preise den krisen- und konkursgebeutelten Förderunternehmen wie auch der Frackingbranche wieder auf die Beine helfen. Bei den „Erneuerbaren“ gibt es schon seit Jahren Pleiten. Unter Trump wird sich dieses Problem noch verschärfen, aber man darf nicht erwarten, daß unter Clinton die fundamentalen Schwächen dieser Firmen verschwinden.

Einige Technologieunternehmer und Hollywoodgrößen haben sich öffentlich zu Clinton bekannt. Teilweise ist dies eine regionale Eigenheit in Kalifornien, einer demokratischen Hochburg – das Silicon Valley liegt direkt neben der linkslastigen Universität Berkeley und stellt viele junge Idealisten ein. Was sich Internetfirmen wie Airbnb, Tumblr, Google, Netflix, Twitter oder Facebook von ihrer Unterstützung der Demokraten erhoffen, ist unklar. Google jedenfalls müßte sich wegen der auf YouTube grassierenden Urheberrechtsverletzungen mit Präsidenten jeder Couleur anfreunden, um die Handhabung des Copyright lasch zu belassen.

Für die Gesundheitsindustrie wird es unabhängig vom Wahlausgang schwierig. Pharmafirmen erwirtschaften laut Clinton zu hohe Gewinne, und auch Trump muß die hohen Kosten der Gesundheitsreform finanzieren. Sparen an Medikamenten auf Kosten der Konzerne ist die schnellste Lösung. Doch aus dieser Branche ist nur Schweigen zu den Wahlen zu vernehmen. Trumps großes Problem bleibt sein miserables Image, weshalb ihn kaum jemand öffentlich unterstützen will. Selbst Exporteure, die unter Trump gut abschneiden werden, falls er den Freihandel reformiert und dabei den chinesischen Markt öffnet, schweigen.