© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Ronai Chaker. Die junge Jesidin liest den Deutschen in Sachen Islam die Leviten
Stimme der Wut
Marco F. Hermann

Die Ideologie der Islamisten ist mit der nationalsozialistischen Ideologie eng verwandt. Es geht um ethnische Säuberung und Ausrottung der Minderheiten im Herrschaftsbereich des IS.“ Beim Islam kennt die Marburger Jura-Studentin Ronai Chaker kein Tabu. Die Mittzwanzigerin nennt ihn eine „Waffe“. Selbst als Flüchtlingshelferin tätig, geißelt sie die Asylzuwanderung als „Invasion“ und schimpft Multikulti einen „Wahnsinn“ der Linken.

Mit solchen Beiträgen polemisiert Chaker in sozialen Netzwerken und Blogs. Dort sammelt sie Tausende Anhänger. Der Berliner Tagesspiegel widmete ihr, der „wütenden jesidischen Stimme“, nun einen Artikel. Nach der Fernsehjournalistin Düzen Tekkal ist Chaker damit die zweite Jesidin, die in der Islamdebatte auffällt.

Ihr Zorn ist begründet. Der Islam hat in der Geschichte der Jesiden eine blutige Spur hinterlassen. Als ethnisch-religiöse Minderheit in Syrien, Irak und der Türkei waren sie den dortigen Machthabern über Jahrhunderte als „Teufelsanbeter“ ein Dorn im Auge. In dieser Tradition entvölkert der IS ganze Dörfer, verübt Massaker und verschleppt Frauen als Sexsklavinnen.

Chakers Familie stammt aus Syrien, geboren wurde sie in Deutschland. Stolz beharrt sie darauf, Deutsche zu sein. Die doppelte Staatsbürgerschaft habe sie nicht nötig – und feuert damit eine Breitseite gegen die Türken, die in Deutschland die Linken und in ihrem Land eine „schariakonforme Hitlerfigur des 21. Jahrhunderts“ wählten. Erdogan gilt als traditionelles Feindbild in jesidischen Kreisen, die mit den ihnen kulturell nahestehenden Kurden fraternisieren.

Die angehende Juristin versteht sich als moderne, aufgeklärte Feministin. Die Verharmloser der Islamisierung sieht sie als ebenso gefährlich an wie die eigentlichen „Feinde der Freiheit“. Dazu zählt sie „Kopftuchlobbyistinnen“ und Burkaträgerinnen, die sich zu Helfershelfern der Unterdrückung machten. Doch auch mit ihren eigenen Leuten geht Chaker hart ins Gericht: Ehen mit Nicht-Jesiden werden traditionell mit Verstoßung aus der Familie geahndet. Zwangsheiraten und Ehrenmorde sind die Folge. Kaum vereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, kritisiert Chaker.

Für Aufsehen sorgten jedoch weniger ihre impulsiven Äußerungen, als vielmehr ein Foto auf ihrer Facebook-Seite mit Wahlkreuz und AfD-Stift. Chaker war FDP-Mitglied und macht klar: In der AfD gebe es mehrere Flügel, und einer vertrete ihre Ansichten, während andere Parteien ihre Unterdrücker unterstützten. Sie will nicht vom jesidischen Regen in der islamischen Traufe landen, weil die Deutschen die Zustände verharmlosen. Auch den Islamkritiker Geert Wilders verteidigt sie. Seitdem bekommt sie sogar Morddrohungen. Chaker denkt bereits ans Auswandern. Ob sie wirklich Bedeutung in der Islamdebatte gewinnt oder ein Internetphänomen bleibt, muß sich noch zeigen.