© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Ein eklatanter Völkerrechtsbruch
Mitte August 1941 überfielen Großbritannien und die Sowjetunion das neutrale Persien
Wolfgang Kaufmann

Nachdem US-Präsident Franklin D. Roosevelt Anfang August 1941 erklärt hatte, er wolle auch der Sowjetunion Hilfslieferungen nach dem Leih- und Pachtgesetz zukommen lassen (JF 33/16), wurde die Frage nach dem besten Transportweg akut. So schien die Eismeer-Route via Großbritannien und Murmansk oder Archangelsk wenig geeignet, da sie durch das Operationsgebiet der deutschen U-Boot-Rudel führte und zudem bald mit Eisgang zu rechnen war. 

In dieser Situation rückten der Iran bzw. die Transiranische Eisenbahn zwischen Persischem Golf und Kaspischem Meer in den Fokus der Alliierten, wobei die Briten ohnehin schon des längeren an eine militärische Intervention in Persien dachten, weil sie befürchteten, daß die riesige Raffinerie der Anglo-Iranian Oil Company bei Abadan in deutsche Hand fallen könnte. Immerhin zeigten sowohl Reza Schah Pahlavi als auch weite Teile der iranischen Bevölkerung Sympathien für Hitler, obwohl sich das „Land der Arier“ offiziell neutral gab. Allerdings brauchte es noch einen veritablen Vorwand für den Einmarsch – und den schufen London und Moskau am 16. August 1941 durch das Ultimatum an die Regierung in Tehe-ran, sofort alle deutschen Spezialisten auszuweisen. Denn das lehnte der Iran erwartungsgemäß ab, womit der Casus belli gegeben war.

Nun hätte der Schah eigentlich konsequente Vorbereitungen zur Abwehr der drohenden Intervention treffen müssen. Schließlich verfügte er ja über 120.000 Soldaten mit zum Teil durchaus moderner Ausrüstung. Diese ließ er aber erst am 24. August mobilisieren, weil er partout nicht glauben wollte, daß die Briten und Sowjets einen derart eklatanten Völkerrechtsbruch wagen würden. Doch genau das taten Stalin und Churchill, um den angeblichen „Versuch der Achsenmächte, Iran unter Kontrolle zu stellen“, zu konterkarieren: Am 25. August 1941 um 3.45 Uhr überschritt das British Iraq Command unter Generalleutnant Sir Edward Pellew Quinan mit 50.000 Mann die Grenze zum Nachbarland – Ziel war, über Kermanschah und Ghom nach Teheran vorzustoßen. Zeitgleich hierzu erfolgten umfangreiche Landungsoperationen an der Küste des Persischen Golfes. Dabei kam es vor Abadan und Chorramschahr zu heftigen Seegefechten mit der iranischen Marine, in deren Verlauf ihr Oberbefehlshaber, Konteradmiral Gholamali Bayandor, fiel und die beiden Kanonenboote „Palang“ und „Babr“ versenkt wurden. Diesen Erfolg erzielten die Briten freilich allein dadurch, daß sie beim Herannahen vortäuschten, Verhandlungen führen zu wollen. 

Alliierte bombardierten sogar unverteidigte Städte

Im Norden wiederum rückten drei Armeen der Sowjetunion mit 120.000 Rotarmisten und 1.000 T-26-Panzern unter dem Befehl von Generalleutnant Dmitri T. Koslow ein – der 46jährige hatte bereits am Angriff auf Finnland 1939 teilgenommen und verfügte somit über die entsprechende Erfahrung. Seine Truppen drangen vom Kaspischen Meer aus nach Süden vor. Im Verlaufe dieser Offensive bombardierte die sowjetische Luftwaffe auch unverteidigte Städte wie Qazvin, Maku und Rascht, wobei Hunderte Zivilisten ums Leben kamen.

Mit Beginn des Einmarsches, der mindestens 1.000 Tote auf iranischer Seite forderte, während die Invasoren lediglich 62 Mann verloren, wandte sich Reza Schah Pahlavi an den US-Präsidenten und bat ihn unter Verweis auf die Atlantikcharta, „wirksame Schritte zu unternehmen, diesem Akt der Aggression ein Ende zu setzen“. Doch Roosevelt antwortete nur kühl, daß „die Länder, die ihre Unabhängigkeit bewahren wollen, sich in einer gemeinsamen Anstrengung zusammenfinden müssen“, wobei die militärischen Maßnahmen der Briten und Sowjets „nicht gegen die Unabhängigkeit oder territoriale Integrität Irans gerichtet sind“.

Dennoch freilich übernahmen sie anschließend die Kontrolle über ganz Persien und nötigten den Schah zum Thronverzicht zugunsten seines Sohnes Mohammad Reza Pahlavi, der dann im September 1943 Deutschland den Krieg erklärte. Als „Dank“ unterstützte Stalin dafür separatistische Bewegungen im Norden des Landes, wodurch er Anfang 1946 die erste große internationale Krise während des Kalten Krieges auslöste.