© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Berliner Kunden machen Scheichs noch reicher
Auslandsinvestitionen: Der Brexit könnte arabische Immobilieninvestoren nach Deutschland locken / Retter von Arbeitsplätzen und Furcht vor Einflußnahme
Wolfgang Kaufmann

Infolge des Brexit könnten Investoren aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten, die derzeit ein Fünftel der Immobilien in London besitzen, umdisponieren. Dabei richtet sich der Blick der muslimischen Großanleger vor allem nach Deutschland, wie der Präsident des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA), Andreas Mattner, erklärte. Dabei gehören bereits jetzt viele Objekte arabischen Fondsgesellschaften. In der Hauptstadt sind das zum Beispiel die „LP12 Mall of Berlin“, die Luxushotels Grand Hyatt und Waldorf-Astoria sowie die Büro- und Wohngebäude „Quartier am Auswärtigen Amt“. Hinzu kommen Teile des Tempelhofer Hafens, der Kranold-Komplex in Lichterfelde oder das Fachmarktzentrum in Marzahn.

Hierbei wird es auch kaum bleiben, denn die Mehrzahl der Anleger von der Arabischen Halbinsel will weiter in Immobilien statt in Gold investieren. Zudem ist genügend Geld da: Alleine die staatliche Saudi Arabian Monetary Agency könnte 740 Milliarden Dollar auf den Markt werfen. Außerdem sind Unternehmensbeteiligungen oder -aufkäufe zu erwarten, was die Bild-Schlagzeile „Wie Scheich ist Deutschland?“ provozierte. Immerhin ist die Kuwait Investment Authority größter Einzelaktionär von Daimler und die Qatar Holding LLC drittgrößter bei VW. Darüber hinaus sind arabische Kapitalgeber am Dax-Schwergewicht Siemens oder dem Baukonzern Hochtief beteiligt.

Die 1,75 Milliarden Euro, die Scheich Hamad Bin Dschassim Al Thani 2014 für 60 Millionen Deutsche-Bank-Aktien aus seinem Privatvermögen hinblätterte, erwiesen sich hingegen als Fehlinvestition. Die arabischen Investitionen in Banken wie Merck Fink, Credit Suisse oder Barclays waren da erfolgreicher. 

Gerne spielen sich arabische Investoren als Retter angeschlagener Unternehmen auf, wie im Falle von Air Berlin (JF 21/16). Ohne Etihad Airlines aus Abu Dhabi, die 29 Prozent an Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft hält, wäre der Lufthansa-Konkurrent längst pleite und die deutschen Flugpreise viel höher. Daß die deutsche Energiewende auch deshalb so hektisch durchgezogen wurde, um nervöse saudische Investoren am Abspringen bei Solarworld & Co. zu hindern, ist wohl nur Gerede.

Neue Geschäfte nach den Regeln des Korans

Kein Gerücht ist, daß hierzulande Banken arbeiten, deren Geschäfte nach den Regeln des islamischen Finanzwesens ablaufen. So erteilte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2015 der Kuveyt Türk Bank AG eine Lizenz als Einlagenkreditinstitut. Allerdings ist die kuwaitisch-türkische KTB kein Vorreiter auf dem Gebiet der muslimisch korrekten Anleihen. Sachsen-Anhalt legte bereits 2004 als erster öffentlicher Emittent mit dem Stichting Sachsen-Anhalt Trust einen sogenannten Sukuk über 100 Millionen Euro auf, bei dem keine Zinsen gezahlt, sondern Gewinnanteile ausgereicht wurden.

Das Geld der Araber sichert aber nicht nur deutsche Arbeitsplätze, wie man vor einiger Zeit in Dresden beobachten konnte. Am nördlichen Rand der sächsischen Landeshauptstadt liegen die Reinstraum-Produktionsstätten des Halbleiterherstellers Globalfoundries. Selbige waren zunächst im Besitz des US-Konzerns AMD, der sich jedoch 2012 aus Dresden zurückzog, wodurch das Werk für Silizium-Wafer Eigentum der Advanced Technology Investment Company (ATIC) wurde.

Diese wiederum gehört der Mubadala Development Company (MDC) und zählt zu den Staatsfonds von Abu Dhabi beziehungsweise den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), weshalb sie auch von der Nummer eins in der Thronfolge von Abu Dhabi, Prinz Muhammad bin Zayid Al Nahyan, geleitet wird. Daher war es alles andere als Zufall, daß der Geschäftsführer der Dresdner Niederlassung von Globalfoundries, Rutger Wijburg, dem Personenkreis beitrat, der im Dezember 2014 eine ganzseitige Zeitungsannonce mit Anti-Pegida-Propaganda schaltete. Zumal der Betriebsratschef des Unternehmens, Ralf Adam, später noch als Hauptredner bei einer der staatlicherseits organisierten Demonstrationen gegen das „islamfeindliche“ Bündnis auftrat.

Immerhin interessieren sich die Araber, anders als ihre Kollegen aus China, kaum fürs Technologieabsaugen (JF 31/16). Sie wollen vor allem ihre Öl- und Gasmilliarden anlegen – und dafür möglichst hohe Renditen sehen.