© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Minderheitenrechte der Deutschen gestutzt
Oberschlesien: Hochburgen der heimatverbliebenen Deutschen wehren sich gegen Eingemeindung / Proteste der Volksgruppe verhallen in Warschau
Paul Leonhard

Als Oppositionsführer sprach Jaroslaw Kaczynski (PiS) vor vier Jahren deutlich aus, was die deutsche Volksgruppe zu erwarten habe, wenn seine Partei das Land regiert: „Die Deutschen in Polen bekommen so viele Rechte wie die Polen in Deutschland. Die Asymmetrie wird abgeschafft.“

Vorkämpfer beim Ignorieren der Minderheitenrechte ist derzeit der Stadtpräsident von Oppeln, Arkadiusz Wisniewski. Dessen ehrgeiziges Ziel ist es, die oberschlesische Stadt zu einer mächtigen Metropole zu machen. Dazu will er zwölf Dörfer aus vier Gemeinden eingliedern. Pikant daran: Alle betroffenen Dörfer sind Hochburgen der heimatverbliebenen Deutschen. In Ortschaften wie Dombrau, Groß Döbern, Comprachtschütz, Proskau und Turawa bekennen sich nach der Volkszählung von 2011 zwischen 14 und 26,2 Prozent der Einwohner zur deutschen Volksgruppe. Im Gegensatz zu Oppeln selbst, wo sich lediglich noch 2,46 Prozent der Bürger zum deutschen Volkstum zählen. 

„Die Entscheidung wurde im Eilverfahren getroffen“

Eine Eingemeindung nach Oppeln hätte weitreichende Folgen für den Minderheitenstatus und das Mitbestimmungsrecht der Deutschen. So würden die Möglichkeiten einer effektiven politischen Mitwirkung am Gemeindeleben ebenso eingeschränkt wie die erkämpften zweisprachigen Ortsschilder. Sogar ein Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen wird befürchtet sowie auf jeden Fall ein Wegfall von Deutsch als Hilfssprache auf den Ämtern. Bei Volksbefragungen im Februar und März dieses Jahres lehnten 96 Prozent der betroffenen Deutschen und Polen im Kreis Oppeln eine Eingemeindung ab. Jedoch fanden Proteste der betroffenen Gemeinden, von Vertretern der deutschen Volksgruppe sowie des Kongresses der Förderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) in Warschau kein Gehör.

„Die Entscheidung wurde im Eilverfahren getroffen“, kritisiert der Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (TSKN), Rafal Bartek. Einen Tag vor der geplanten Konsultationsrunde mit lokalen Vertretern im Juli habe der Ministerrat in Warschau den Beschluß des Oppelner Stadtrats schon bestätigt. „Das zeigt, wie schwach und zerbrechlich unsere Demokratie ist.“ Von Beginn an „sind wir durch das Oppelner Rathaus attackiert worden“, findet dessen Vorstandskollegin Joanna Hassa. „Man beschuldigt uns, die Menschen aufzuhetzen und Proteste zu initiieren.“

Der rumänische Politiker Attila Korodi, Mitglied des Europarates, sieht im Handeln des Oppelner Stadtpräsidenten ein „Ablehnen der Grundregeln der Demokratie und des Dialogs“ sowie „eine Ignoranz gegenüber den Minderheiten und der Minderheitenrechte“. In einem persönlichen Schreiben an Premierministerin Beata Szydlo und an Innenminister Mariusz Blaszczak hält er es für „unvorstellbar“, daß entgegen dem Rahmenübereinkommen Oppeln vergrößert wird.

Leider bleibe die Hoffnung von Korodi, daß die polnische Regierung das Vorgehen Wisniewskis nicht zulassen werde, unerfüllt, unkt das in Oppeln erscheinende Wochenblatt - Zeitung der Deutschen in Polen in seiner aktuellen Ausgabe. Der Stadtpräsident habe die Rückendeckung der gesamten Regierung in Warschau. Und die ist nationalkonservativ. Was bedeutet: gegen alles Deutsche.