© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Sage Antirassismus, meine Sozialismus
Unterwanderung im Fußball: Die „Respect“-Kampagne gewinnt Topspieler für sich, aber kaum jemand weiß um deren linksextremen Hintergrund
Hinrich Rohbohm

Der Werbespot fehlt bei keinem wichtigen Spiel. „Nein zu Rassismus“, sagt darin Fußball-Nationaltorhüter Manuel Neuer. Ein halbes Dutzend Top-Weltstars wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Arjen Robben, Franck Ribéry oder Zlatan Ibrahimovic tun es ihm in ihrer jeweiligen Landessprache gleich. „European Football United Against Racism“ wird in weißen Lettern auf den Bildschirmen von Millionen Fernsehzuschauern angezeigt. Eine Aktion gegen Rassismus namens „Respect“.

Das klingt nach einer guten Sache. Auch für Frank Holtorf (Name geändert) tat es das. Der 47 Jahre alte Familienvater ist das, was man im Fußball einen engagierten Jugendbetreuer nennen kann. „Seit mein ältester Sohn mit der Kickerei angefangen hat, bin ich auch mit dabei“, erzählt er. Das war vor 18 Jahren. Seitdem kümmere er sich um seine „Jungs“, sei so etwas wie ein „Mädchen für alles“. Seine Frau wäscht die Trikots, er fährt die Jugendlichen zu Auswärtsspielen, springt auch schon mal als Trainer ein, wenn der mal verhindert ist. Seinen Verein, einen Provinzklub in der Nähe von Magdeburg, möchte er in der Zeitung nicht genannt sehen. „Nicht im Zusammenhang mit dieser sensiblen Sache“, betont er. Es geht um Rassismus und entsprechende beleidigende Äußerungen gegen einen seiner Spieler. Einen Farbigen.

Holtorf wollte etwas unternehmen, informierte sich im Internet über die „Respect“-Kampagne. Und stieß auf die für die Umsetzung der Aktion verantwortliche Organisation Football Against Racism in Europe (FARE) sowie das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF). Was ihn dabei irritierte: „Da läuft alles nur über das Internet. Es gibt keine richtigen Ansprechpartner, keinen, dem ich unser Anliegen persönlich vortragen könnte.“ Der Jugendbetreuer klickte das Kontaktformular beider Netzwerke an. „Nur anonyme Mailadressen“, entrüstet er sich.

Die Themen der beiden Fan-Netzwerke kamen ihm komisch vor. „Da geht es gegen Diskriminierung und Homophobie, gegen Kommerzialisierung, gegen Sexismus, gegen Rassismus, das wirkte auf mich alles etwas penetrant.“ Auch daß das Bündnis Aktiver Fußballfans 1998 seinen Namen geändert hatte und ursprünglich „Bündnis antifaschistischer Fanclubs und Faninitiativen“ hieß, machte ihn stutzig. „So einen Sprachjargon hatten wir früher in der DDR schon mal“, gibt er zu bedenken. Er habe daher „die Finger davon gelassen“. „Zu unseriös“ hätten die Fannetzwerke auf ihn gewirkt.

Dembowski vernetzte    linksradikale Fangruppen

Holtorf dürfte damit eine rühmliche Ausnahme gewesen sein. Denn die von ihm kritisierten Netzwerke stehen in der Welt des Profi-Fußballs keineswegs im Abseits, scheinen bei DFB, Uefa oder Fifa sogar leichtes Spiel zu haben. Niemand soll wegen seiner Hautfarbe diskriminiert werden, auch nicht im Sport, lautet der Duktus, mit dem die Fan-Organisationen versuchen, prominente Sportler für sich zu gewinnen. Jeder – von rechtsextremen Fanatikern einmal abgesehen – würde das ebenso sehen. Und so dürfte es auch keiner großen Überredungskünste bedurft haben, um die besten Fußballer der Welt davon zu überzeugen, den Spruch „Nein zu Rassismus“ vor einer Kamera aufzusagen, sie zu Botschaftern gegen Rassismus zu machen.

„Respect“ ist inzwischen aus keinem großen Fußballstadion wegzudenken. Bei Profispielen ist ein entsprechendes Bekenntnis zu einem regelrechten Ritual geworden. Stadionsprecher kündigen die Aktion nicht selten unmittelbar vor dem Anstoß an. Die Mannschaftskapitäne verlesen dann Anti-Rassismus-Erklärungen.

Doch was auf den ersten Blick der Stärkung von Demokratie und Toleranz dienen soll, weist bei genauerem Hinsehen tatsächlich fragwürdige Haltungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf. Kaum einem der Weltstars dürfte bewußt sein, daß die Aktion von Personen aus der linksextremen Szene initiiert wurde, um Einfluß auf das Millionengeschäft Fußball zu gewinnen, dessen Topspiele den Fernsehsendern stets die höchsten Einschaltquoten garantieren. Was das Geschäft um das runde Leder nicht erst seit Angela Merkels medienträchtigen Besuchen in der Umkleidekabine der deutschen Nationalmannschaft für die Politik attraktiv gemacht hat.

„Respect“ ist Teil mehrerer von der Uefa mit drei Millionen Euro geförderten Sozialprojekten. Mit der Umsetzung der Aktion ist die Organisation Football Against Racism in Europe (FARE) betraut, die als Kooperationspartner der Uefa fungiert. Den Anstoß zur Gründung gab 1997 die Europäische Kommission, die damals im Rahmen des „Europäischen Jahres gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ begann, diesbezüglich auch Fußballprojekte finanziell zu fördern. Einer nutzte die Gunst der Stunde: Gerd Dembowski. Der Sozialwissenschaftler war in den neunziger Jahren bereits Bundesvorsitzender vom „Bündnis antifaschistischer Fanclubs und Faninitiativen“, zudem maßgeblich an der nationalen und internationalen Vernetzung linksradikaler Fangruppen beteiligt. Auch am Aufbau und der Entwicklung von FARE trägt er maßgeblichen Anteil.

Dembowski ist eng mit der linksextremen Szene vernetzt, schrieb bereits Artikel für die UZ, die Parteizeitung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Auch für die linksextreme Junge Welt, das einstige Zentralorgan der FDJ sowie die antideutsche Wochenzeitung Jungle World verfaßt er seit 1995 Beiträge. Nicht wenige seiner Bücher zur „Fanforschung“ wurden vom linksradikalen Papyrossa-Verlag herausgegeben, einem Nachfolgeunternehmen des einstigen von der DDR finanzierten Pahl-Rugenstein-Verlags in Köln.

Dembowskis Ziehvater als „Fußballforscher“ ist der Alt-Achtundsechziger Dieter Bott, ein ehemaliges Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) sowie der daraus hervorgegangenen Kommune I, die unter anderem Verbindungen zur terroristischen „Bewegung 2. Juni“ und der RAF pflegte. 1968 hatte Bott zudem ein „Antiolympisches Komitee“ gegründet, das die „Jugend der Welt“ aufforderte, „die heuchlerischen Spiele in die Luft zu jagen“. Als Bildungsreferent arbeitete er zudem für die hessische „Naturfreundejugend“. Die umweltfreundlich klingende Organisation strebt die „Überwindung des Kapitalismus“ an, bekennt sich zum Sozialismus.

Linksradikale geben        verdeckt den Takt vor

Dieter Bott gilt jedoch vor allem als Pionier der sogenannten Fanprojekte. Mitte der achtziger Jahre gründete der Soziologe und ehemalige Schüler des linken Frankfurter Soziologie-Professors Theodor Adorno erste Faninitiativen in Duisburg, Düsseldorf und Frankfurt. Er gehört zu den Gründern des BAFF, das 1998 seinen Namen von „Bündnis anti­faschistischer Fanclubs und Faninitiativen“ in „Bündnis Aktiver Fußballfans“ ändert, was offenbar die linksradikale Herkunft der Organisation gegenüber etablierten Institutionen verschleiern soll. Inzwischen gibt es über vierzig solcher Projekte in Deutschland. Hierfür eingesetzte Sozialarbeiter werden von Bott selbst ausgebildet, der sich wie Dembowski als „Fanforscher“ längst gesellschaftlich etablieren konnte.

Hinzu kommen zahlreiche weitere gleichgesinnte Fangruppen in Europa, die sich über FARE miteinander vernetzen. Auch die Football Supporters Europe (FSE) sind Teil dieses Netzwerks. Sie sind in 42 Uefa-Mitgliedsländern vertreten. Eine Mitgliederversammlung wählt dort jährlich eine Art Vorstand, Komitee genannt, dem wie bei FARE auch ein Vertreter der BAFF angehört. Alle drei Netzwerke sind heute fest in den Institutionen der nationalen und internationalen Fußballverbände verankert. So gelten die FSE nicht nur der Uefa und dem Verband europäischer professioneller Fußballigen (EPFL), sondern sogar dem Europarat als wichtiger Ansprechpartner in Fanfragen. FARE gilt als anerkannter Kooperationspartner sowohl bei der Fifa als auch der Uefa. Und das BAFF ist heute als Vertreter bei der Arbeitsgemeinschaft Fandialog des DFB und der DFL vertreten.

Gerd Dembowski gehört beim DFB inzwischen der Arbeitsgemeinschaft Anti­diskriminierung an, übt zudem seit 2014 bei der Fifa eine Tätigkeit als „Corporate Social Responsibility Programme Manager“ aus und wird vom DFB als „Gutachter“ akzeptiert. Darüber hinaus hat er eine Festanstellung bei der Kompetenzgruppe „Fankulturen und sportbezogene Soziale Arbeit“ (KoFaS), einer gemeinnützigen GmbH, die am Institut für Sportwissenschaften der Universität Hannover angesiedelt ist. Als dessen Leiter fungierte bis Oktober vorigen Jahres noch der Honorarprofessor und Diplom-Soziologe Gunter Pilz, der für das Bundesinnenministerium sowie den DFB mehrere Gutachten erarbeitete, unter anderem zur Problematik der Ultras.

Pilz zählt neben Dembowski auch zu den Autoren des 2002 im Papyrossa-Verlag erschienenen Buches „Tatort Stadion – Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Fußball“. „Tatort Stadion“ ist auch der Titel einer von Dembowski initiierten und im Namen von BAFF und FARE durchgeführten Wanderausstellung, die bereits in zahlreichen deutschen Schulen gezeigt wurde. Daß die Verbindungen der beiden Netzwerke ins linksradikale Antifa-Milieu nicht bei allen Eltern und Lehrern gut ankommen würden, dürfte Dembowski klar gewesen sein.

So ist es nicht verwunderlich, daß weder FARE noch BAFF und auch nicht die FSE im Impressum ihrer Internetseite mit einer Adresse anzutreffen sind. Lediglich ein anonymes Postfach dient als Anschrift. Mit anderen Worten: Wer die Zentralen der Netzwerke aufsuchen möchte, um sich ein genaueres Bild zu machen, beißt hier auf Granit. Für „Aktivisten“ mit radikalem politischen Hintergrund ein äußerst angenehmer Umstand, der mit dem Verweis auf mögliche rassistisch motivierte Attacken zudem ein wasserdichtes Alibi mit sich bringt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung Dieter Botts in einem von ihm verfaßten Artikel über „Lernort Stadion: Sexismus, Fußball und Politik“, in dem er freudig schreibt: „BAFF beeinflußt auch die ab 1997 langsam die Fankurven dominierenden Ultra-Bewegungen.“ Aufschlußreich auch seine Ansichten über Väter, die mit ihren Kindern am Wochenende zu Fußballspielen gehen: „Da würde ich gern von Kindesmißbrauch sprechen. Und der gehört vor die Uno-Menschenrechtskommission.“

Wie sich der Einfluß der Organisation etwa auf den DFB auswirkt, verdeutlicht eine weitere Passage des Artikels: Dort heißt es, bei der Muster-Stadion-Ordnung des DFB aus dem Jahr 2000 seien neun von zehn Punkten „fast wörtlich von den BAFF-Vorschlägen übernommen“ worden, „ohne das BAFF zu erwähnen“. Ein Umstand, für den man gute Gründe gehabt haben dürfte.

Foto: Bei der Fußball-Champions-League halten die Spieler Nani (damals Sporting Lissabon, l.) und Kevin-Prince Boateng (damals FC Schalke 04, r.) im Oktober 2014 je einen „No to Racism“-Wimpel, während sich deren Mannschaften vor einem Großtransparent der „Respect“-Kampagne aufgestellt haben: International unterstützen Vereine die Aktion, deren Initiatoren fragwürdige Haltungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufweisen