© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Italiens Bankensystem ist in Gefahr
Eurokrise: Trotz diverser Taschenspielertricks droht ein italienischer Schuldenschnitt und eine Haftung anderer Euro-Staaten
Dirk Meyer

Der EZB-Bankenstreßtest Ende Juli hat es bestätigt: Die italienische Bankenkrise spitzt sich zu. Aktuell steht das drittgrößte Kreditinstitut des Landes und die zugleich älteste Bank der Welt, die Banca Monte dei Paschi di Siena (gegründet 1472), aufgrund von Korruption und Mißmanagement vor der Pleite. 

Italienische Banken haben einen Kreditbestand von rund zwei Billionen Euro in ihren Büchern. Davon gilt ein Volumen von etwa 360 Milliarden Euro als ausfallgefährdet oder bereits notleidend. Das entspricht 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). 

Dem steht jedoch lediglich eine Risikovorsorge von etwa 120 Milliarden Euro gegenüber. Die Sanierung und Abwicklung insolventer Finanzinstitute erfolgt seit Jahresbeginn nach den Vorgaben des EU-Bankenabwicklungsmechanismus. Kernpunkt ist der sogenannte Bail-in-Mechanismus. Er beinhaltet eine Gläubigerbeteiligung, bei der Einlagen von mehr als 100.000 Euro für Verluste herangezogen werden. Erst am Schluß soll der Steuerzahler haften – soweit die Theorie.

Agrar- und Baufahrzeuge, Traktoren und Feuerwehren

In Italien ist eine Gläubigerbeteiligung aufgrund der kleinteiligen Eigentümer- und Gläubigerstrukturen umstritten. Die Institute finanzieren sich über ihre Kunden, zum einen als Anteilseigner, zum anderen als Gläubiger von Bankobligationen. Von daher ist der Widerstand gegen ein Bail-in erheblich. 

Es bleiben mögliche Staatshilfen, für die jedoch aufgrund einer Staatsschuldenquote von 133 Prozent kaum Spielraum besteht. Zudem sind staatliche Subventionen nach EU-Recht ausgeschlossen. Was wäre ein „italienischer Weg“? Die Regierung drängt bereits mit Verweis auf die Verunsicherung infolge des Brexit-Votums auf die Anwendung von Ausnahmeregelungen. Auf ihren Druck hin wurde über ein Bankenkonsortium ein privater Bankenfonds mit dem Namen Atlante gegründet. 

Dieser verfügt über ein Volumen von knapp fünf Milliarden Euro. Seine Aufgabe ist unter anderem die Übernahme notleidender Kreditpapiere zum Buchwert. Es dürfte ein erheblicher Bedarf an weiteren Fondsmitteln in Höhe von 100 bis 150 Milliarden Euro bestehen.

Die Regierung wird in jedem Fall vermeiden wollen, Staatshilfen zu gewähren. Geeignet wäre dagegen die in staatlichem Besitz befindliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP). Diese italienische Variante der KfW unterstützt private Unternehmen und ist schon an Atlante beteiligt. Denkbar wäre, daß der Staat einen notenbankfähigen Schuldschein an die CDP gibt, die ihn an den Bankenrettungsfonds Atlante weiterleitet.

Rom könnte eine Bank     „zwischenschalten“

Dieser könnte den Schuldschein sofort als Sicherheit zur Refinanzierung im Rahmen der ELA-Notfall-Liquiditätshilfe der italienischen Notenbank einreichen, um Geld zum Ankauf der Problemkredite zu erhalten. 

Indem Atlante zum Buchwert notleidende Kredite von insolventen Finanzinstituten aufkauft, entlastet er diese  Bankhäuser von notwendigen Wertberichtigungen, ermöglicht deren Zahlungsfähigkeit und Fortbestand, muß aber selbst die Abschreibungen vornehmen. Bei Abschlägen zum Marktwert in Höhe von achtzig  bis neunzig Prozent würde Atlante bei der Verwertung erhebliche Verluste anhäufen, die das Kapital aufzehren – eine indirekte staatliche Beihilfe.

Was wären die Vorteile aus italienischer Sicht? Durch die Zwischenschaltung der halbstaatlichen Förderbank CDP dürfte formal der Vorwurf einer nach EU-Recht schädlichen Staatshilfe entfallen. 

Die Einreichung des staatlichen Schuldscheines bei der italienischen Notenbank als ELA-Nothilfe zur Refinanzierung ist eine nationale Euro-Geldschöpfung, auf die das Eurosystem direkt keinen Einfluß hat. Schließlich steigt durch die Staatshilfe die Verschuldung auf 141 Prozent des BIP. Ein Schuldenschnitt für Italien wird deshalb mittelfristig wahrscheinlicher.