© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Folgenschwere Nachlässigkeiten
Belgien: Der Mordanschlag auf zwei Polizistinnen wirft kein gutes Licht auf die Antiterror-Arbeit der Regierung
Mina Buts

Offenbar war es das Ziel des Attentäters Khaled Babouri, der am vergangenen Wochenende mit einer Machete in eine Polizeidienststelle im wallonischen Charleroi eindrang, wenigstens eine der beiden Polizistinnen zu enthaupten. Darauf lassen jedenfalls deren schwere Verletzungen im Gesicht schließen. Beide Frauen wurden kurzzeitig in ein künstliches Koma versetzt, eine von ihnen ist offenbar vollkommen entstellt worden. 

Die Nachrichtenagentur Amaq, die sich brüstet, offizielles Sprachrohr des IS zu sein, teilte mit, der inzwischen gestorbene Täter sei ein „Soldat des IS“ gewesen. Tatsächlich handelt es sich um einen 33jährigen Algerier, der 2012 illegal nach Belgien eingereist war. Gegen ihn lagen zwei Strafbefehle vor. Zwei Aufforderungen, das Land zu verlassen, war er nicht nachgekommen.

Nur durch Zufall gab es nicht noch mehr Opfer 

Für die Regierung und insbesondere die mitregierende nationalkonservative N-VA, die gerne als Hüter von Recht und Ordnung gesehen werden würde, ist der Terrorakt vom Wochenende mehr als lästig. War es doch das Versprechen der Regierung, nach den Attentaten von Paris und Brüssel im eigenen Land härter durchzugreifen. 

Noch immer liegt die Terrorwarnstufe für die Bevölkerung bei 3, also einer „außerordentlichen und ernsthaften“ Lage, bei der die Armee auch im Innern zur Unterstützung der Polizei eingesetzt werden darf. Doch für die Polizei gilt eine niedrigere Stufe. Nur durch einen glücklichen Zufall war die Polizeiwache in Charleroi noch nicht von 3 auf 2 umgeschwenkt und hatte daher noch eine Einlaßkontrolle an der Tür. Die Zahl der Opfer wäre sonst wohl höher gewesen.

Ausgerechnet der Innenminister des Landes, Jan Jambon (N-VA) erklärte unmittelbar nach dem Anschlag, es habe sich bei dem Attentäter um einen „einsamen Wolf“ gehandelt und es sei für den IS ein leichtes, solche Taten anschließend für sich zu reklamieren.

 Lediglich der Staatssekretär für Asyl und Integration, Theo Francken (N-VA), wagte es, das Kind beim Namen zu nennen: Ein Rücknahmeabkommen mit Algerien sei bislang gescheitert und der Vorfall vom Wochenende führe erneut vor Augen, daß es in Belgien Tausende Illegaler gebe, von denen man nicht wisse, wo sich sich aufhielten und wer sie seien. Einen Lösungsvorschlag hat er allerdings auch nicht zu bieten. 

Bis dato gibt es in Belgien lediglich 600 Auffangplätze für Illegale, die auf ihre Abschiebung warten. Zwar würde Francken diese Zahl gern auf 1.000 erhöhen, doch die Finanzierung eines solchen Vorhabens, so mußte er selbst zugeben, dürfte an den enormen Staatsschulden scheitern. 

Entsprechend forderte der Parteichef des oppositionellen Vlaams Belang, Tom van Grieken, im Gespäch mit der JF, daß die N-VA aus der Einwanderungsfrage endlich eine Regierungsangelegenheit machen müsse, um illegale Einwanderer aufzuspüren, die Abschiebekapazitäten zu erhöhen und Grenzkontrollen einzuführen. Genau jene Kombination von Nachlässigkeit, De-facto-Straffreiheit und einer gescheiterten Ausweisungpolitik sorge nämlich dafür, daß Belgien eine ideale Brutstätte für Terroristen sei.

Ein trauriges Beispiel dafür ist die Anfang dieser Woche erfolgte Freilassung von Fatima Aberkan. Gerade erst zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, wurde die „Mutter des Dschihad“ wegen eines Fristversäumnisses bei der Berufungsverhandlung wieder auf freien Fuß gesetzt. Aberkan gilt als Spinne im Netz des „Zerkani“-Clans, der für alle großen Terroranschläge seit 9/11 verantwortlich zeichnet. Die Spezialität der 56jährigen sind die Rekrutierung von Syrien-Kämpfern und die Radikalisierung von Jugendlichen – darunter Abdelhamid Abaaoud, Drahtzieher der Pariser Anschläge.