© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

Helmut Schmidts Kampf gegen Links
Vor vierzig Jahren verabschiedete die Bundesregierung das „Antiterrorgesetz“, um dem Terror der linksextremistischen Roten Armee Fraktion zu begegnen
Wolfgang Kaufmann

Im Sommer 1976 befanden sich zwar die wichtigsten Protagonisten der ersten Generation der Roten Armee Fraktion in Haft, doch war die links-terroristische Gefahr in der Bundesrepublik damit noch lange nicht gebannt. Davon zeugten weitere Gewalttaten von RAF-Nachrückern wie die Geiselnahme von Stockholm – außerdem gab es immer noch die Bewegung 2. Juni und mittlerweile auch die Revolutionären Zellen. 

Die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt sah sich veranlaßt, dagegen energische Maßnahmen von seiten des Staates zu starten. Eine davon sollte das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes (kurz: Antiterrorgesetz) sein. Es sah unter anderem vor, den Paragraphen 129a des Strafgesetzbuches (StGB) einzuführen, der bereits die Gründung von terroristischen Vereinigungen sowie die Mitgliedschaft in solchen unter Strafe stellte. Dazu kam eine Anzeigepflicht für jeden, der irgendwie Kenntnisse über Terrorgruppen besaß. Außerdem schränkte die Legislative die schriftliche Kommunikation zwischen Verteidigern und Angeklagten in Terroristenprozessen ein und verlieh den Sicherheitsorganen deutlich erweiterte Fahndungsbefugnisse.  

Kritik an „breitstreuender Zensurwaffe“ 

Das Gesetz wurde am 24. Juni 1976 vom Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition von SPD und FDP verabschiedet. Zeitgleich kündigten die unionsgeführten Länder, welche seinerzeit über die Mehrheit im Bundesrat verfügten, eine Blockade des Regelungspaketes an. Aus der Sicht der CDU/CSU ging das Ganze nicht weit genug. Sie wollte die Gründung von terroristischen Vereinigungen als Verbrechen statt nur als einfachen Straftatbestand eingestuft wissen. Darüber hinaus wurde eine Handhabe verlangt, um auch den mündlichen Informationsfluß zwischen den Terroristen und ihren Anwälten kontrollieren zu können. Doch gerade letzteres stieß auf massiven Widerstand beim politischen Gegner: Die Einschränkung von Freiheitsrechten verlange Augenmaß und Fingerspitzengefühl, argumentierte insbesondere die FDP.

Infolgedessen beschloß der Bundesrat am 16. Juli 1976, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Dessen Beratungen endeten jedoch zehn Tage später mit einem Elf-zu-elf-Stimmen-Gleichstand. Dennoch passierte das Gesetz dann kurz darauf die Länderkammer, weshalb es am 18. August 1976 in Kraft treten konnte. Ursächlich verantwortlich hierfür war die Sorge der Regierungen von Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Niedersachsen und des Saarlandes, als Bremser im Kampf gegen den Terrorismus dazustehen. Während der entscheidenden Sitzung des Bundesrates am 29. Juli stimmten nur noch die Vertreter Bayerns gegen das Gesetzeswerk, nachdem sie die darin enthaltenen Neuregelungen ein weiteres Mal als in jeder Hinsicht mangelhaft kritisiert hatten: „Es wird, wie so oft in letzter Zeit, auch hier wieder nur der Schein entschlossenen Handelns erweckt.“

Und tatsächlich kam es trotz des juristischen Maßnahmenbündels im Folgejahr zu einer regelrechten Offensive der Roten Armee Fraktion, die dann zur Krise des „Deutschen Herbstes“ führte. Allerdings wurde das Antiterrorgesetz nicht nur deswegen kritisiert. Vielmehr war und ist der „Gummiparagraph“ 129a auch Grünen und Linken ein Dorn im Auge, weil er angeblich als „breitstreuende Zensurwaffe“ gegen unerwünschte politische Meinungsäußerungen und Aktivitäten fungiere sowie der Einschüchterung von Systemgegnern diene. 

Deshalb brachte die PDS-Fraktion 2001 einen Antrag im Deutschen Bundestag ein, den Paragraphen 129a StGB ersatzlos zu streichen – jedoch ohne Erfolg. Mitverantwortlich für diese Niederlage war dabei der Umstand, daß seit Sommer 1976 gegen mehr als 10.000 mutmaßliche Linksterroristen und deren Unterstützer ermittelt werden mußte. Gegenwärtig geht die Tendenz eher dahin, gruppenweise geplante und durchgeführte gemeingefährliche Straftaten wie Sabotage des Bahnverkehrs oder Brandstiftung nicht mehr als Terrorismus zu verfolgen, wenigstens nicht gegen derartige Aktionen der extremen Linken.