© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Nach dem Hinweis eines britischen Kellners an den deutschen Gast, der möge besser kein landesübliches Bier bestellen, er sei besseres gewohnt, nun der des Verkäufers im traditionsreichen Teehandel, die gewünschte Sorte werde in zwei Varianten produziert, eine für die Einheimischen, eine für den Kontinent, letztere mit reduziertem Aroma.

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Die FAZ hat eine Serie mit dem Titel „Wie erkläre ich’s meinem Kind?“ Die Stücke erscheinen unregelmäßig, die Verfasser wechseln. Wenn es um Politisches geht, und noch dazu um Heikel-Politisches, haben die Erklärungen oft etwas Peinliches. Insofern gab es Grund zur Sorge, wenn der „Rassismus“ erklärt werden soll. Aber man kommt glimpflich davon. Die Existenz von Rassen als solche wird nicht bestritten, Rassismus klug als Versuch definiert, eine absolute Rassenhierarchie zu begründen (an deren Spitze gewöhnlich man selbst steht). Nur die Überschrift ist Unsinn: „Menschen sehen nicht gleich aus, aber sie sind gleich“. Wahrscheinlich hat die der Verfasser Patrick Bahners gar nicht zu verantworten. Der kommt für die Gleichheit aller Menschen in seinem Text jedenfalls nur auf die biblische Schöpfungsgeschichte zu sprechen. Mehr erlaubt die Redlichkeit nicht, und auch nicht die pädagogische Klugheit: Gegenüber Kindern darf Vereinfachung nie in Verfälschung übergehen.

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Beim Betreten des Royal College of Arms – des Königlichen Heroldsamtes – nach vierzig Jahren der Eindruck: Es hat sich nichts Wesentliches verändert, die Gestaltung der Hauszeitschrift dieselbe, sogar einige der spärlich angebotenen Postkarten dieselben, der Thron des King of Arms, des obersten Herolds ihrer Majestät, immer noch derselbe, aber dann fällt der Blick auf die Agenda dieser altehrwürdigen Institution, und die muß sich jetzt auch mit der komplizierten Frage beschäftigen, wie die Wappen von gleichgeschlechtlichen Paaren auszusehen haben.

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Marodierende Linke verletzen mehr als einhundert Polizisten und bedrohen ihre Gegner so massiv, daß die ihre Position nicht einmal juristisch durchsetzen. Der Berliner Senat plant trotzdem Verhandlungen mit dem Staat im Staat der Hausbesetzer. Die Verurteilung der Straftäter aus der Silvesternacht ist offenbar nicht zu erreichen, die ganze Härte des Gesetzes, über die bramarbasiert wurde, trifft sie jedenfalls nicht. Das organisierte Verbrechen, dieses Mal die russische Variante, soll sich im Land mit einer fünfstelligen Personenzahl festgesetzt haben. Ein ehemaliger Verfassungsrichter sieht angesichts der Untätigkeit oder Unfähigkeit der Behörden den Rechtsstaat als solchen gefährdet. Und die politisch-mediale Klasse erklärt, man müsse als nächstes und unbedingt die Konkurrenz mit geheimdienstlichen Mitteln beobachten lassen.

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Was angesichts des Führungswechsels in Downing Street 10 wirklich beruhigt, ist die Tatsache, daß Larry, der Chief Mouser, seine Stellung behält, und sich weiter des von den Roten hinterlassenen Rattenproblems widmen kann.

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Entgegen einer verbreiteten Annahme führten die nordafrikanischen „Korsaren“ ihre Menschenjagden nicht nur im Mittelmeer und an den europäischen Gegenküsten durch. Sie drangen bis nach Island vor und suchten für dreihundert Jahre Südengland, Irland und Schottland heim. 1626 erklärte der Vizeadmiral von Devon, Sir John Eliot, daß man den Eindruck habe, als ob das Meer um die Inseln das ihre wäre. 1645 wurden mehr als 240 Männer, Frauen und Kinder aus Cornwall verschleppt, und das Parlament schickte einen Gesandten nach Algier, um sie freizukaufen (der Preis für die Frauen lag deutlich höher als der für die Männer). Dann führten die von Cromwell ergriffenen drastischen Maßnahmen zu einer gewissen Beruhigung der Lage, und die Bombardierung von Tunis 1675 hatte zur Folge, daß die Angriffe fast aufhörten. Vollständig verschwand das Problem allerdings nicht. Erst nach den beiden Feldzügen der USA gegen die Barbareskenstaaten (1801–1805 und 1815–1816) war deren Macht endgültig gebrochen. An dem zweiten Feldzug nahmen auch britische Verbände teil, die noch einmal 4.000 Christen befreiten.

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Der Besuch einer Stadt mit internationalem Publikum führt zu der Erkenntnis, daß man es auch bei Flegelhaftigkeit mit einem globalen Phänomen zu tun hat.

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Die Klassenzugehörigkeit ist in England auch an der Schuluniform ablesbar. Dabei geht es nicht um das Vorhandensein, die Durchsetzung ist flächenmäßig, sondern um die Art und Weise, wie man sie trägt. Oben akkurat, unten irgendwie manipuliert, bei den Jungs das Hemd aus der Hose und die Krawatte auf Halbmast, bei den Mädchen der Rock über die Hüfte hochgezogen und die Bluse aufgeknöpft unter dem vorgeschriebenen Binder.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 12. August in der JF-Ausgabe 33/16.