© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

Millionen Dieselautos soll die Fahrt in Städte verwehrt werden
Blaue Geisterfahrt
Markus Brandstetter

In Deutschland fahren 14,5 der 45,1 Millionen Pkw mit Diesel. Hinzu kommen 4,5 Millionen Lkw, Busse und Agrarfahrzeuge. Dieser hohe Diesel-Anteil resultiert erstens aus den seit 30 Jahren bestehenden Steuervorteilen und zweitens aus der überragenden Technologie, die die deutschen Automobilproduzenten anbieten. Dieselfahrer konnten sich bislang als eine verwöhnte, gehegte und geschützte Spezies betrachten.

Damit ist es bald vorbei: Bereits im Herbst soll eine neue blaue Plakette (JF 16/16) für die Umweltzonen beschlossen werden. Geht es nach den Umweltministern von Bund und Ländern, würden schrittweise alle Fahrzeuge aus deutschen Innenstädten verbannt werden, welche die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen – das sind derzeit fast 14 Millionen Pkw. Die Grenzwerte bezüglich des Stickoxidausstoßes (NOX) erfüllen – wenn man den Prüfstandsnormen nach VWs Dieselgate weiter glaubt – bislang nur eine halbe Million neue 500.000 Diesel-Pkw und die modernsten Lkws.

„Die Befürworter einer Blauen Plakette begeben sich auf eine verkehrspolitische Geisterfahrt“, warnt Mario Ohoven, Chef des Unternehmerverbandes BVMW. Nicht nur der Logistik-Branche, auch Handwerk und Gewerbe, würden zusätzliche Lasten aufgebürdet. Der BVMW werde „gegen diese mittelstandsfeindliche Aussperrungsstrategie“ mobil machen, denn viele seien erst kürzlich auf Euro-5-Fahrzeuge umgestiegen: Ein Fahrverbot bedeute „Enteignung von Betriebsvermögen“ und zerstöre das „Vertrauen in den Rechtsstaat“.

Technisch gibt es aus heutiger Sicht kaum Abhilfe, ältere Diesel lassen sich nicht einfach per Nachrüst-Kat auf Euro-6-Niveau bringen. Noch ist unklar, welche Ausnahmen und Übergangsregelungen gelten, aber eines ist klar: Mit dem Sonderstatus der Dieselfahrzeuge ist es vorbei. Aber auch Besitzer sparsamer Benzindirekt­einspritzer sollten aufmerksam das blaue „Kleingedruckte“ lesen: Ihre Autos haben ähnliche Probleme mit NOX und Partikeln wie die Diesel.