© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Leserbriefe

Zu: „Reißleine gezogen“ von Dieter Stein & „Dreizehn zu zehn“ von Michael Paulwitz, JF 28/16

Unanständiges Erscheinungsbild

Ich halte die gegenwärtige Situation und das Erscheinungsbild der AfD-Bundesspitze für skandalös bis unanständig. Da geht es bei den Rivalitäten der Bundesspitze und ihren jeweiligen Bataillonen weniger um den notwendigen Richtungsstreit einer jungen Partei, sondern vielmehr um persönlichen Ehrgeiz. Anders ist es nicht zu verstehen, daß der eher liberale, bürgerliche Meuthen mit dem Rechtsaußen Gauland und dem dumpfen und bisweilen peinlichen Nationalisten Höcke gegen Frau Petry paktiert, während diese, die ständig fordert, die AfD müsse sich gegen die extreme Rechte abgrenzen, mit ihren Gefolgsleuten den unzweifelhaft antisemitisch geprägten Gedeon und dessen Unterstützer gegen Meuthen in Stellung bringt. Hier ist dringendst bei allen Beteiligten Umkehr notwendig, wenn die AfD in den Augen ihrer Wähler nicht den letzten Kredit verspielen will und die Hoffnungen Tausender Wähler nicht weiter zerstört werden sollen.

Eine Alternative zu den „Altparteien“, die diesen Namen verdient, sieht anders aus. Es mögen die verantwortlichen Mandatsträger verhindern, daß die AfD als verzögerte Eintagsfliege im Orkus verschwindet und die Bewertung selbst begeisterter Unterstützer der AfD in Kürze nicht lauten wird: Gewogen und für zu leicht befunden!

Bernward Ohm, Bonn






Zu: „‘Es wäre schön, wenn man das Gesetz verstehen könnte’“ von Heiko Urbanzyk, JF 28/16

Erbschaftssteuer abschaffen

Wie der Landesrechnungshof von Nord­rhein-Westfalen festgestellt hat, ist die Hälfte der Erbschaftsteuerbescheide falsch. Das dürfte noch untertrieben sein. Es wird wohl eher so sein, daß bei genauer Überprüfung nahezu kein Erbschaftsteuerbescheid ganz richtig ist, ganz einfach deshalb, weil eine zutreffende Bewertung, sowohl der Betriebe als auch des Grundvermögens, kaum möglich ist. Bei ausländischen Sachverhalten ist eine zutreffende Wertermittlung nahezu ausgeschlossen. Und wegen der immer weiter zunehmenden internationalen Verflechtungen, sowohl in betrieblichen als auch in privaten Bereichen, nehmen die Auslandsachverhalte immer mehr zu. Österreich hat deshalb ganz auf die Erbschaftsteuer verzichtet und sie vor geraumer Zeit abgeschafft. 

Es wäre gerechter, die Erbschaftsteuer auch bei uns abzuschaffen. Daß es in der Summe bei den Steuereinnahmen durch die Abschaffung der Erbschaftsteuer zu Ausfällen kommt, ist unzutreffend. Dadurch, daß die Betriebe von der Erbschaftsteuer entlastet sind und Kapital ungekürzt der Wirtschaft weiter zur Verfügung steht, werden Investitionen getätigt und Arbeitsplätze geschaffen. Investitionskapital in Händen der Wirtschaft ist volkswirtschaftlich sinnvoller als Steuergelder, welche die Finanzverwaltung im Gießkannenprinzip, meist weniger intelligent gesteuert, umverteilt.

Werner Burkhart, Dannstadt-Schauernheim






Zu: „Reform jetzt!“ von Thomas Fasbender, JF 27/16

Der RGW läßt grüßen

Wer aus Fehlern nicht lernt, ist verdammt, die gleichen Fehler zu wiederholen. Der politische Zentralismus ist der „Totengräber“ einer gesunden EU. Wesentlicher Bestandteil des Kalten Krieges waren die wirtschaftlichen und politischen Kämpfe zwischen dem RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) mit Hauptsitz in Moskau und der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) mit Hauptsitz in Brüssel. 

Der RGW – ausgerichtet nach dem politischen Credo der herrschenden Klasse, der Arbeiterklasse und ihrer Partei, in der DDR der SED – hätte eigentlich als System funktionieren müssen, zumal die politische Diktatur der Herrschenden ein zentrales Element war. Moskau entschied, und die Mitgliedsländer hatten zu funktionieren. So die Theorie, die scheitern mußte, denn: Einige Mitgliedstaaten, unter anderem Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei, wollten sich ihre nationale Identität im damaligen System nicht durch Moskau nehmen lassen. Nur die politische Führung der DDR blieb bis zum Scheitern des Systems linientreu. 

So wie damals der politische Wille einer gesteuerten Zentralisierung der Macht gescheitert ist, beginnt auch das Ende von Brüssel sich anzukündigen, wo heute über 40.000 Beschäftigte unter Führung der politischen Elite à la Juncker und Schulz angestrengt versuchen, ein System aufrechtzuhalten, das inhaltlich dem RGW in etlichen Elementen gleicht: bei der Zentralisierung der politischen Macht, der Abschaffung der Identität der Mitgliedsstaaten und der überproportionalen Entwicklung eines Sozialdenkens im Interesse verantwortungsloser Mitgliedsstaaten. Staaten wie Ungarn, Polen oder die Tschechoslowakei haben sich damals mit Erfolg für ihre Bürger gegenüber Moskau widersetzt. Heute haben wir ein Aufbegehren in der EU. Das ist gut so, weil ein zentralisiertes System zum Scheitern verurteilt ist. Reform jetzt! Noch ist es nicht zu spät! Eine zentrale Konsequenz aus der Geschichte des RGW könnte lauten: Völker der EU, ein Gespenst geht um, das Gespenst des Brexit. Kämpft um den Erhalt der guten und pragmatischen Elemente der Europäischen Union im Interesse seiner Völker und sagt nein zu einem sogenannten Demokratischen Zentralismus, gesteuert aus Brüssel.

Wolfgang Jörgens, Harztor






Zur Meldung: „Eid nicht mehr auf ‘Wohl des deutschen Volkes’“, JF 27/16

Ab jetzt nicht mehr wählbar

In Zukunft schwören die NRW-Minister also nicht mehr, die ganze Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes“, sondern nur mehr „dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen zu widmen. Die Gutmenschen nennen das eine „diskriminierungsfreie Eidesformel“, weil „unsere“ Politiker für sich beschlossen haben, nicht nur dem deutschen Volk, sondern jedermann, der sich hier – auch unerwünscht – aufhält, zu dienen. Was ist nun das „Wohl des Landes NRW“? Jedenfalls nicht das Wohl des dort lebenden Teils des deutschen Volkes, sonst hätte man die Eidesformel nicht ändern müssen. Zugestimmt hatten dieser Änderung folgende Parteien: SPD, CDU, Grüne, FDP, Piraten. Somit weiß ich genau, welche Parteien ab jetzt für Landtag und Bundestag nicht mehr wählbar sind. Wollen wir doch mal sehen, wer wen zuerst abschafft: die Politiker das deutsche Volk oder das deutsche Volk seine illoyalen „Volksvertreter“.

Hans Wolfgang Schumacher, Düsseldorf




Allerwerteste Bekundung

Daß in NRW die traditionelle Eidesformel abgeschafft wurde, mag in den Augen von Dieter Stein (in seiner Kolumne auf Seite 1) instinktlos sein, befreit aber die Minister vom Vorwuf des Meineides, denn das „Wohl des deutschen Volkes“ geht diesen Gestalten schon lange am Allerwertesten vorbei.

Dieter Funk, Hamburg






Zu: „Überhitzte Debatten“ von Josef Hämmerling, JF 27/16

Eigentlich wäre Merkel dran

„Cameron, was hast du Europa jetzt eingebrockt“ , schallte es letzte Woche Land auf und Land ab in Politik und Leitmedien. Aber hat Cameron den Spießrutenlauf wirklich verdient? Als er vor drei Jahren das Referendum für 2016 ansetzte, konnte er damals mit der Ablehnung des Brexit rechnen, wenn vielleicht auch nur knapp. Das wußte Frau Merkel sehr wohl, als sie letztes Jahr eigenmächtig die Grenzen öffnete und offenhielt ohne Parlamentsentscheid. Sie muß sehr schnell gemerkt haben, daß die europäischen Nachbarn nicht bereit waren, ihre weitreichende Entscheidung bedingungslos mitzutragen.

Da das Datum für das Referendum feststand, mußte Merkel gerade bei den Engländern mit erheblichen Vorbehalten rechnen, welche sich seit 1066 alle Invasoren vom Leib gehalten hatten und nicht bereit sein würden, sich dem Diktat einer deutschen Kanzlerin zur Asylkrise zu unterwerfen, zumal sie in zwei Weltkriegen dieses Deutschland besiegt hatten. Damit mußte Merkel schon im letzten Herbst rechnen. Gleichwohl blieb sie bei ihrer „alternativlosen“ Politik. Den Spießrutenlauf für den Brexit müßte also Merkel antreten, nicht Cameron.

Detlef Moll, Waldbröl






Zu: „Mehr Mißtrauen wagen!“ von Konrad Adam, JF 27/16

Illusionärer Aufruf

Danke für diesen Artikel! Und dennoch fürchte ich, daß dieser Aufruf folgenlos verhallen sind, da nur die wenigsten Deutschen ein kritisches politisches Bewußtsein besitzen. Daher können ja Regierung, Parteien und linke Medien das Volk für dumm verkaufen, ohne daß dieses es in seinem aktuellen Wohlstandswahn bemerkt. Nur wenn die Rente ansteht und die bisherigen Alleinverdiender merken, wie wenig ihnen dieser Staat zum Leben läßt, werden sie wach. Die Politiker und Politikerinnen haben sich dann schon längst die Taschen gefüllt und sind in die Toskana entschwunden und führen dort weiter ein gutes Leben auf Kosten der deutschen Bürger und Steuerzahler. 

Hier dagegen wird dem Bürger das Märchen vom Flüchtling, Schutzsuchenden und Verfolgten erzählt und mit immer neuen Steuern die Tasche geleert, um die Kosten, nach Professor Sinn jährlich über 21 Milliarden Euro, zu decken. Ja, der deutsche Michel war schon immer der Dumme.

Volker Krause, Arnsberg






Zu: „Tüchtig verhauen / Scheidungskrieg“ von Eberhard Straub, JF 27/16

Herablassend und verletzend

Die Ankündigung eines sonst recht ausgewogenen Artikels auf Seite 1 mit den Wörtern „tüchtig verhauen“, „bekamen die Ösis von den Preußen ordentlich auf die Mütze“, hält deren Verfasser offenbar für witzig. In Wirklichkeit zeigt sie in deutlichster Form jene herablassend verletzende Ausdrucksweise, die in Österreich zu Recht so verhaßt ist und als piefkinesisch charakterisiert wird. Noch schlimmer ist, daß sie einem blutigen Bruderkrieg, dessen Trennungsfolgen zu den traurigsten Ereignissen der deutschen Geschichte gehören, völlig unangemessen ist. Inhaltlich sei darüber hinaus angemerkt, daß Verlierer nicht nur Österreich, sondern auch die zahlreichen mit ihm verbündeten deutschen Mittelstaaten waren. 

Im Artikel selbst ist die Beschreibung der österreichischen Lage nach 1945 ebenso subjektiv wie in ihrer Pauschalierung falsch. Die „endgültige Scheidung“ könnte sich noch einmal als eine ebenso irrige Voraussage erweisen wie das seinerzeitige Gerede vom Ende der Geschichte in der Welt. Für das Vorhandensein eines Bewußtseins gemeinsamen Volkstums und gemeinsamer Geschichte muß man sich schon etwas ausführlicher umsehen und -hören, als es der Verfasser offenbar getan hat. Vor einigen Jahren sprach ein Träger eines hohen österreichischen Staatsamtes im kleinen Kreis die Wahrheit aus, daß die von den vier Alliierten verfügte Wiederrichtung einer Grenze an Inn und Salzach nur dem Zweck gedient hat, den deutschen Volksraum zu zerschneiden und Möglichkeiten zur Entstehung einer Macht zu verhindern.

Ernst S. von Heydebrand, Vallendar






Zu: „Gipfeltreffen mit eigenwilligem Kollaborateur“ von Wolfgang Müller, JF 25/16

Mutterseelenverlassen

Zu Ihrer Besprechung des Buches von Tore Rem über Knut Hamsuns Reise zu Hitler möchte ich ergänzend auf die Erinnerung des Schrifstellers und Laienpredigers Manfred Hausmann in dessen schmalem Band „Kleine Begegnungen mit großen Leuten“ hinweisen. Dort schildert dieser die „Begegnung“ mit Knut Hamsun auf einem Bahnsteig des Lehrter Bahnhofs in Berlin an einem Junitag des Jahres 1943, auch wenn es kein eigentliches Zusammentreffen war. Hausmann erkannte Knut Hamsun, der ganz allein auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig stand. Er wirkte „so mutterseelenverlassen, wie ein Mensch nur wirken konnte“. Kurz zuvor hatte Hamsun mit Hitler gesprochen. Hamsun selbst schreibt in seinem Tagebuch „Auf überwachsenen Pfaden“ über die Zeit von 1945 bis 1947, die er als über Achtzigjähriger unter Hausarrest, in Krankenhäusern und in einer psychiatrischen Anstalt verbringen mußte. Ein besonderes Zeitdokument ist hier die Schilderung der Gerichtsverhandlung (ab Seite 101).

Werner Förderreuther, Hartmannsdorf






Zu: „Die bunte Fassade stürzt ein“ von Fabian Schmidt-Ahmad, JF 24/16

Treibjagd in die Arme der AfD

Die bunte Fassade ist längst, spätestens jedoch zu Silvester eingestürzt. Ein bekanntes Morgenmagazin im TV lud einen selbsternannten Hobbypsychologen ein, der Tips gab, wie man sich vor sexuellen Übergriffen, hier: Darmstadt, schützen könne: Man solle doch a) eine kleinere Handtasche mitnehmen und b) in größeren Gruppen das Festgelände verlassen. Als ich das hörte, war ich sprachlos. Laut Kölnischer Rundschau (10. Juni 2016) will man das nächste Mal ein „Silvesterfest am Kölner Dom als Zeichen des friedlichen Zusammenlebens“ ins Leben rufen. Gott sei Dank treiben solche Sendungen und Aussagen der AfD die Wähler in die Arme.

Manfred Hemmersbach, Köln