© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Dialogische Vitalität: Ambivalente Dozentenförderung nach 1933
Die Herren Professoren im Lager
(dg)

Mit der 1934 neu eingeführten Reichshabilitationsordnung wollte der NS-Staat nicht nur die Karrierechancen des wissenschaftlichen Nachwuchses verbessern. Es ging auch um deren politische Kontrolle. Deshalb wurde die Habilitation an die Absolvierung von Lehrgängen in „Dozentenlagern“ und „Dozentenakademien“ gebunden. Bei Sport und Wehrsport im „Lager“ und in der „politischen Schulungsarbeit“ der „Akademien“ mußten sich künftige Hochschullehrer für einige Wochen einem umfassenden staatlichen Erziehungsanspruch unterwerfen. Die erste preußische Dozentenakademie wurde, zugleich als reichsweites Modell, 1934 in Kiel-Kitzeberg eingerichtet. Der Kieler Universitätshistoriker Martin Göllnitz zeichnet deren in Grundzügen seit langem bekannte Entwicklung nun im Detail nach (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 3/2016). Viele Teilnehmer empfanden Kitzeberg zwar als unangenehme Qualifikationshürde, aber auch als „positive Lebenserfahrung“. Der Theologe Helmut Thielicke lobte gar die „geistige Dichte und dialogische Vitalität“. Gescheitert ist die neue „Gemeinschaftserziehung“ jedoch schon 1936, da Nachwuchsknappheit im Hochschulsektor eine Fortsetzung langwieriger Ausleseprozeduren nicht mehr erlaubte, so daß man bereits in der Schlußphase „politisch unzuverlässige“, aber nicht offen NS-feindliche Anwärter zur Habilitation zulassen mußte. 


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