© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Indizien ohne den richtigen Zünder
Edgar Mayer und Thomas Mehner sind sich sicher: Deutschland hatte 1945 bereits die Atombombe
Wolfgang Kaufmann

Vor 15 Jahren veröffentlichten Edgar Mayer und Thomas Mehner ihr erstes gemeinsames Buch, welches den Titel „Das Geheimnis der deutschen Atombombe“ trug. Darin vertraten sie die These, daß es den Nationalsozialisten entgegen sämtlichen Darstellungen der Alliierten und der etablierten Geschichtswissenschaftler gelungen sei, Kernwaffen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang verwies das Duo auf diverse geheime Forschungen unter der Ägide von Reichspost, SS, Kriegsmarine, Heereswaffenamt und Großindustrie, von denen die Fachwelt bisher kaum Kenntnis genommen habe. Außerdem berichteten Mayer und Mehner vom angeblichen Test einer Mini-Atombombe auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen im März 1945.

Anonyme Zeitzeugen als einzige Quellen

Dafür mußten die beiden Nicht-Historiker reichlich Kritik einstecken, wobei die sich vor allem an der Art ihrer „Belege“ entzündete. Statt schriftlicher Quellen boten Mayer und Mehner nämlich nur anonyme Zeitzeugen auf, deren Behauptungen kaum überprüft werden können. Dieser Praxis huldigten die Verfasser dann auch in ihren weiteren Werken „Die Atombombe und das Dritte Reich“, „Geheime Reichssache: Thüringen und die deutsche Atombombe“, „Atomziel New York“, „Die Angst der Amerikaner vor der deutschen Atombombe“ und „Die Lügen der Alliierten und die deutschen Wunderwaffen“. Hernach folgte eine fünfjährige „Recherchepause“, in deren Verlauf das jetzt erschienene Buch „Und sie hatten sie doch!“ entstand, welches „spektakuläre neue Indizien“ bieten und die zweite „Enthüllungskampagne“ einleiten soll. Deshalb werden viele Themen bloß kurz angerissen – mit dem wiederholt geäußerten Versprechen der späteren Vertiefung.

Ansonsten erfährt der Leser nun dies: Das Großdeutsche Reich habe zu Kriegsende nicht nur einige wenige, sondern „Dutzende“ Kernwaffen besessen, darunter sogar Wasserstoffbomben, die zur „Rundumverteidigung“ gedacht gewesen seien. Manche davon standen nach Ansicht von Mayer und Mehner bereits Ende 1942 zur Verfügung. Darüber hinaus sollen „Wissenschaftlerteams“ (genauere Angaben fehlen), einen „Supersprengstoff“ entwickelt haben, „gegen den selbst Atomwaffen wie Kinderspielzeug wirken: RADgUM (sic!)“.

Außerdem wird erneut auf das U-Boot U 234 verwiesen, das am 15. April 1945 in Kristiansand auslief, um reichsdeutsche Hochtechnologie nach Japan zu bringen, darunter ein zerlegtes Düsenflugzeug vom Typ Me 262. Dieses Boot führte erwiesenermaßen auch 560 Kilogramm Uranoxid an Bord mit, die für die Gruppe des japanischen Kernphysikers Yoshio Nishina bestimmt waren, aber lediglich minimale Spuren von waffenfähigem Uran 235 enthielt. Doch genau das bezweifeln Mayer und Mehner und behaupten, es hätte sich um hochradioaktives, also zumindest „mittel angereichertes“ Material gehandelt – vielleicht Uran 233. Als Beleg hierfür dient das Tagebuch des U-234-Besatzungsmitglieds „Otto K.“, welches teilweise in Faksimile abgedruckt ist, aber einen komplett unauthentischen Eindruck macht.

Zum Schluß des Buches ist dann noch von den Bohrungen bei Gossel in der Nähe des thüringischen Jonastals die Rede, in dem nach Meinung der Verfasser wichtige kerntechnische Anlagen des Dritten Reiches untergebracht waren. Diese Arbeiten fanden im November 2014 statt und wurden von einer israelischen Stiftung in Auftrag gegeben – was in der Tat recht mysteriös ist, denn die Behauptung, das Ganze diene der Aufklärung des Schicksals von Holocaust-Opfern, kann kaum überzeugen. 

Andererseits hatten früher schon die Sowjets und die DDR-Staatssicherheit in der Region nach der angeblichen NS-Hochtechnologie gefahndet, aber nichts gefunden. Eine der Suchaktionen der achtziger Jahre, nämlich die Befahrung eines Erdlochs unter dem Truppenübungsplatz Ohrdruf, dokumentieren Mayer und Mehner dann auch, ohne dabei aber etwas irgendwie Beweiskräftiges vorzulegen.

So reiht sich die neueste Veröffentlichung des Autorenduos nahtlos in den Reigen seiner bisherigen Publikationen ein, wobei jetzt freilich nicht mit Kritik an den Kritikern gespart wird. Insbesondere bekommt Sven Felix Kellerhoff von der Welt sein Fett weg, weil er mit tatsächlich sehr plumpen Argumenten gegen Mayer und Mehner agitierte. Immerhin muß man diesen schon insofern zustimmen, daß es höchst mysteriös anmutet, wenn die meisten Dokumente, die genauere Auskunft über die Atomforschung im Dritten Reich geben könnten, immer noch gesperrt sind – teilweise für einen Zeitraum von einhundert Jahren. Wozu das, wenn da absolut nichts war, wie Kellerhoff mit der herablassend-apodiktischen Attitüde des vermeintlich Allwissenden herumposaunt?

Edgar Mayer, Thomas Mehner: Und sie hatten sie doch! Spektakuläre neue Indizien bestätigen: Hitler verfügte über die Atombombe. Kopp Verlag, Rottenburg 2016, gebunden, 254 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro