© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Kommt der Werbezwang im Internet?
Der Streit um Werbeblocker im Internet spitzt sich zu. Nun mischt sich auch die Bundesregierung ein
Henning Hoffgaard

Seit Monaten führt der Axel-Springer-Verlag, zu dem unter anderem die Bild und die Welt gehören, einen juristischen Kreuzzug gegen Werbeblocker im Internet. Besonders die in Köln ansässige Eyeo GmbH steht im Visier des Mediengroßkonzerns. Und warum? Die Firma vertreibt den bekanntesten Werbeblocker im Internet. „Adblock Plus“ heißt das Programm, das für alle gängigen Internetbrowser verfügbar ist. 

Nach Angaben des Unternehmens wurde die Software bereits 500 Millionen mal heruntergeladen und wird monatlich weltweit von 100 Millionen Browsern genutzt. Sollten die Zahlen ansatzweise stimmen, wäre Eyeo ein dicker Fisch auf dem Werbemarkt. Oder besser gesagt, ein mächtiger Gegner der Werbeindustrie und allen, die an den Geldern verdienen. Auf fast allen Webseiten finden sich zumeist automatisch eingespeiste Werbebanner – auch bei der JUNGEN FREIHEIT.  

„Bild“ sperrte alle Adblock-Nutzer aus

In Zeiten, in denen immer weniger Anzeigen in Zeitungen geschaltet werden und die Verlage mit einbrechenden Leserzahlen kämpfen, hat sich die Online-Werbung zu einem wichtigen Zubrot für die Verlage entwickelt. Dabei gilt, je größer die Reichweite der Seite ist, desto mehr Geld gibt es für Werbeanzeigen. Adblock schiebt diesem Geschäftsmodell einen Riegel vor. Zumindest teilweise. 

Kein Wunder also, daß sich der Axel-Springer-Verlag berufen sieht, an vorderster Front gegen Eyeo vorzugehen. Und das jetzt zum ersten Mal mit einem Teilerfolg. Ende Juni fällte das Oberlandesgericht Köln eine Entscheidung, die nun wiederum das Geschäftsmodell der Werbeblocker beeinträchtigen könnte. Zwar erklärte der 6. Zivilsenat den Adblocker grundsätzlich für zulässig, doch in einem anderen Punkt kassierte die Kammer das Urteil der Vorinstanz. Die sogenannte „Whitelist“-Funktion des Werbeblockierers ist rechtswidrig. Was steckt dahinter? 

Unternehmen, die auf dieser Liste stehen, können ihre Werbepartner vom Werbebann ausnehmen. Sollte eine Zeitung auf dieser Liste stehen, bekämen Nutzer des Internetangebotes trotz aktiviertem Adblock die Werbung auf der Seite dennoch angezeigt. Im Gegenzug erhält Eyeo „von größeren Webseitenbetreibern und Werbenetzwerkanbietern eine Umsatzbeteiligung“, wie das Gericht feststellte. Wer nicht zahlt, muß also entweder auf das Werbegeld verzichten, oder im Gegenzug einen Teil der Erlöse abführen. Bei Axel Springer wird dies offenbar als Erpressung verstanden. Aus diesem Grund verbannte die Bild-Zeitung alle Nutzer des Adblockers von ihren Seiten. Nur nach einer Deaktivierung kann der Online-Auftritt des Blattes besucht werden. 

Eyeo nahm das Urteil betont gelassen zur Kenntnis. „Das Urteil ist für uns sehr erfreulich, kommt aber nicht überraschend. Denn zum wiederholten Male bestätigt ein Gericht das Recht der Nutzer, Werbung zu blockieren“, sagte Eyeo-Gründer Till Faida. Dennoch werde das Unternehmen gegen das Urteil in Revision gehen. Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs habe man Springer angeboten, deren Webseiten auf die „Whitelist“ zu setzen. Zugleich behauptet das Unternehmen, es sei grundsätzlich kostenlos, sich auf die saubere Liste eintragen zu lassen. Erst ab einer bestimmten Reichweite würde zur Kasse gebeten. Davon allerdings seien deutsche Verlage gar nicht betroffen. Sie erreichten im Vergleich zu Google, Microsoft oder Yahoo viel weniger Nutzer und müßten auch nicht zahlen.

Werbewirtschaft  erhöht den Druck

Das Thema beschäftigt mittlerweile auch die Bundes- und Landesregierungen. Die 2014 gegründete „Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz“ veröffentlichte wenige Tage vor dem Kölner Urteil einen Bericht zur Medienregulierung. 

Dem Thema Adblocker ist darin ein ganzes Kapitel gewidmet. Und der Inhalt läßt aufhorchen. Am 8. März lud die Kommission zu einem „Workshop“ zu dem Thema ein. Gehört wurden dabei ausschließlich Gegner des Werbeblockers wie etwa der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft sowie ARD- und ZDF-Funktionäre. Und die drückten gegenüber der Kommission ordentlich auf die Tränendrüse. Allein für dieses Jahr werde durch den Adblocker ein „Schaden“ von 40 Milliarden Euro entstehen. Ihre Schlußfolgerung: Alles rechtswidrig. 

Wenig überraschend schloß sich die zuständige Arbeitsgemeinschaft der Bund-Länder-Kommission der Ansicht vollumfänglich an: „Die AG sieht das Geschäftsmodell von Adblockern als rechtlich und mit Blick auf die Refinanzierung journalistisch-redaktioneller Angebote auch medienpolitisch als problematisch an.“ Eine „Prüfung gesetzlicher Regelungen“ sei deswegen „erforderlich“. Die Konzentration auf Medien und Verlage beim Thema Adblocker zeigt allerdings auch, wie wenig die Politik das Problem verstanden hat. Nur ein Bruchteil der aus Deutschland aufgerufenen Webseiten hat etwas mit Zeitungen zu tun. Die meisten Nutzer verwenden das Programm schlicht, um sich grundsätzlich vor nervender und virenbelasteter Werbung zu schützen. Mittlerweile gibt es selbst auf harmlosen Seiten eingespeiste aggressive Werbung mit eindeutig sexuellem Inhalt. Der Adblocker leistet also auch einen Beitrag zum Jugendschutz.

Sollte die Bundesregierung Adblocker gesetzlich verbieten oder deren Verwendung einschränken, käme dies einem Werbezwang im Internet gleich. Dabei hat eben die Bild-Zeitung mit ihrer Verbannung von Adblock-Nutzern längst bewiesen, daß es auch ohne neue Gesetze und Regulierungen geht.