© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Jeder Gang macht schlank
Christian Vollradt

Sie gehören zu Bundes-Berlin wie Curry zur Wurst: die (meist) dunklen Limousinen der Fahrbereitschaft des Bundestages. Obere Mittelklasse sind sie, Mercedes E-Klasse, Audi A 6, 5er BMW. Vor den Gebäuden mit den Abgeordnetenbüros stehen sie, vor dem Reichstag sowieso; warten darauf, daß einer der Volksvertreter ihn ordert, um zum nächsten Termin zu eilen.

Den Gepflogenheiten gemäß wurde die MdB-Beförderung eines Tages „outgesourct“ an einen privaten Dienstleister. Der ist, wie nun bekannt wurde, pleite. Am Montag mußte die Berliner Firma Rocvin – 250 Mitarbeiter, 150 Fahrzeuge – Insolvenz anmelden. Hauptgrund dafür sei, daß der größte Kunde des Unternehmens, eben der Bundestag, seinen Vertrag turnusmäßig am 31. Juli 2017 auslaufen läßt. 

Das war bereits Anfang des Jahres vom Ältestenrat beschlossen worden, nachdem die Kommission für innere Angelegenheiten des Bundestages empfohlen hatte, den Fahrdienst wieder in die öffentliche Hand abzugeben. Höchstwahrscheinlich wird die Auftragsvergabe auf den Fuhrpark der Bundeswehr hinauslaufen, der im besten militärischen Abkürzungsfimmel (MilAküFi) und doch ganz modern BwFuhrparkService GmbH heißt.

Ziel der künftigen Kooperation von Bundestag und Bundeswehr ist allerdings nicht die Militarisierung des Parlaments; das hohe Haus hat vor allem den Klimaschutz im Visier. Deshalb soll künftig stärker auf E-Autos gesetzt werden. „Dabei soll mit dem Einsatz von Elektrofahrzeugen zugleich der Einstieg in das Konzept nachhaltiger Mobilität vollzogen und der CO²-Ausstoß deutlich gesenkt werden“, hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert den Abgeordneten mitgeteilt. Der Haken an der Sache: In der Ausschreibung ist weiterhin die Beförderung der Abgeordneten mit Autos der oberen Mittelklasse vereinbart. Dort aber gibt es kaum Stromer, es sei denn, man kauft Modelle der amerikanischen Edelmarke Tesla. Die ausgesprochen teuer sind. Alternative: Die Damen und Herren Abgeordneten müßten sich mit deutlich kleineren Modellen zufriedengeben. 

Und noch etwas könnte zu einer Kollision von Klimaschutz und Mobilitätsgarantie führen: Pro Schicht legen die Fahrer im Schnitt 215 Kilometer  zurück. Die heutzutage auf dem Markt verfügbaren E-Autos haben eine Reichweite von etwa 250 Kilometern. Während der Wartezeiten müßten die Wagen also an die Steckdose, sonst könnte eine unerwartet längere Fahrt zum Problem werden. Man stelle sich vor, wie dann der eine oder andere Abgeordnete nur noch per Anhalter vom Abendtermin heimkommen würde. 

Zum Zufußgehen ist jedoch derzeit noch keiner gezwungen. Rocvin betonte, daß man bis zum Auslaufen des Vertrags den Betrieb weiter aufrechterhalten werde. Anlaß zur Hoffnung gibt es auch. Denn schon 2014 stand die Firma kurz vor der Pleite. Der Grund damals: Die überlangen Koalitionsverhandlungen von Union und SPD nach der Wahl 2013, die eine Konstituierung des Bundestages samt der damit verbundenen Fahrten verzögert hätten. Vielleicht wäre das die effektivste Methode, die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen.