© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Dreizehn zu zehn
AfD: Jörg Meuthen wollte die „Affäre Gedeon“ nun doch schnell beenden / Ohne ausreichende Mehrheit zog er die Konsequenz und trat zurück
Michael Paulwitz

Der fragwürdige Kompromiß hielt gerade mal zwei Wochen. Am Ende zog Jörg Meuthen im Fall Gedeon doch die Notbremse, legte den Vorsitz der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg nieder und erklärte seinen Austritt aus der Fraktion. Zwölf weitere Abgeordnete schlossen sich diesem Schritt an.

Die Spaltung hatte sich schon seit Tagen abgezeichnet. Bereits in der Woche zuvor hatte die Fraktion beschlossen, nochmals über den Ausschluß des wegen antisemitischer Äußerungen in die Kritik geratenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon abzustimmen, wenn die dazu eingesetzte Kommission sich nicht auf das Ende Juni vereinbarte Gutachter-Gremium zur Beurteilung der Aussagen Gedeons einigen könne. 

Zwei Gutachten, darunter ein ausführliches aus der Feder des Politikwissenschaftlers Werner Patzelt, hätten auch bereits vorgelegen und seine Beurteilung der Gedeon-Äußerungen als antisemitisch voll bestätigt, erklärte Meuthen vor der Landespresse. Dennoch habe der Ausschlußantrag die notwendige Zweidrittel-mehrheit nicht erreicht. 

Für die „deutliche Mehrheit“ der dreizehn Abgeordneten, die für den Ausschluß gestimmt hatten, sei der „Schritt der Trennung“ damit „unausweichlich geworden“, heißt es in der Erklärung Meuthens: „Wer nicht in der Lage ist, rassistische oder antisemitische Äußerungen zu erkennen und zu unterlassen, schädigt seine Partei und gehört schon gar nicht auf Führungspositionen.“

Als Bundessprecher fühle er sich durch die Bundespartei „gestärkt“, sagte Meuthen auf Nachfrage. Der AfD-Bundesvorstand hatte in einem per Telefonkonferenz gefaßten Beschluß das Verhalten der Abgeordneten, die nicht für einen Ausschluß Gedeons gestimmt hatten, mißbilligt: „Diese Mitglieder akzeptieren den Verbleib eines Abgeordneten in der Fraktion, dessen Schriften eindeutig antisemitische Aussagen enthalten.“

Der Austritt Meuthens und seiner Getreuen aus der Fraktion wird von dem Bundesvorstandsbeschluß begrüßt, während sich die Bundesvorstandsmitglieder von den nicht ausgetretenen Abgeordneten „distanzieren“: „Wir anerkennen als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg ab sofort nur Jörg Meuthen und die Abgeordneten, die sich ihm anschließen.“ Das ist ganz im Sinne Meuthens: „Wir sind die AfD, wir wollen keine andere Partei“, betonte er auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Auf keinen Fall wolle er den Weg von Parteigründer Bernd Lucke gehen, erklärt er auf Nachfrage. Aufgrund zahlloser Rückmeldungen sei er sicher, daß die Parteibasis das ebenso sehe.

Der Bundesvorstandsbeschluß setzt auch Co-Bundessprecherin Frauke Petry unter Druck, die ebenso wie zwei weitere Vorstandsmitglieder an der Telefonkonferenz nicht teilgenommen hatte. Jörg Meuthen hatte sich im Umgang mit dem Fall Gedeon wiederholt Einmischungen verbeten. Nachdem Frauke Petry auf ihrer Facebook-Seite angekündigt hatte, sie sei „auf dem Weg nach Stuttgart“ und werde dort „noch am Nachmittag eintreffen“, um „mit der gesamten AfD-Fraktion zu reden“, hatte Meuthen den Beginn seiner Pressekonferenz sogar noch vorverlegt.

Der ungelöste Konflikt zwischen den beiden Bundessprechern überschattet auch an diesem Tag das dramatische Geschehen. Kurz nachdem sich im Konferenzraum des Königin-Olga-Baus des baden-württembergischen Landtags die herbeigeeilten Medienvertreter bis auf die Flure gedrängelt hatten und Jörg Meuthen zu Rundfunk- und Fernseh-Terminen aufgebrochen ist, treffen wenig später auch Frauke Petry und ihr Sprecher Markus Frohnmaier, Landesvorstandsmitglied und erfolgloser Landtagskandidat der AfD in Baden-Württemberg ein. Während Petry ein Stockwerk tiefer mit dem Rumpfvorstand der AfD-Landtagsfraktion zusammentrifft, lauern vor der Tür noch einige Reporter und Fotografen auf Bilder und Stellungnahmen.

Ob einige der nicht ausgetretenen Abgeordneten sich dem zurückgetretenen Fraktionsvorsitzenden doch noch anschließen, ist ungewiß; Meuthen selbst hält die Türe offen für die, die sich noch eines Besseren besinnen. Seine Unterstützer streben möglichst rasch die Gründung einer arbeitsfähigen Fraktion an.

Dabei stellen sich freilich parlamentsrechtliche Fragen – etwa, ob Abgeordnete einer Partei zwei Fraktionen angehören können –, die laut Meuthen „noch geklärt“ werden müssen. Konsequent wäre auch vor diesem Hintergrund über kurz oder lang ein Parteiausschluß der Abgeordneten, die sich Meuthen nicht angeschlossen haben. Der Bundesvorstandsbeschluß läßt sich in diesem Sinne interpretieren.

Zu den Fraktionsmitgliedern, die Meuthen gefolgt sind, gehört der zuvor als Vorsitzender des Finanzausschusses nominierte Heilbronner Abgeordnete Rainer Podeswa und der in Göppingen gewählte Stuttgarter Arzt Heinrich Fiecht-                       ner, der ihn nachdrücklich unterstützt: „Eine Partei, die Deutschland und das deutsche Volk voranbringen will, darf ihre Existenz nicht auf faulen Wurzeln gründen.“ Für die Partei sei die Situation zweifellos „unerfreulich“ und belastend, formuliert Meuthen zurückhaltend. Aber: „Manchmal muß man den harten Weg gehen.“